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Die Forderung nach härterer Bestrafung von „Kinderschändern“ ist aber nicht nur bei Neonazis sehr beliebt, sondern wird auch im Bundestag vertreten. Im SPIEGEL vom 26.03.2010 ist zu lesen, dass die Abgeordneten der CDU/CSU Bundestagsfraktion „Härtere Strafen gegen Sexualstraftäter“ fordern. [3]
FAKTEN:
Wo immer ein Kind Opfer einer Sexualstraftat wird, stehen die Populisten als Erste auf der Straße und fordern eine Verschärfung des Strafrechts, bis hin zur Todesstrafe. Der Psychologenverband hält Forderungen nach schärferen Gesetzen für Sexualstraftäter für „wenig hilfreich“. Die deutschen Gesetze reichen – vorallem nach der Erhöhung des Strafmaßes in den 2004 und 2008 – aus. Steffen Dauer, der Vorsitzende der Sektion Rechtspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), fordert zum Schutz der Kinder vor Annäherungsversuchen und Gewalttaten:
„Eltern müssten dem Kind vermitteln, dass nicht jeder Erwachsene eine Autoritätsperson sei, der es zu gehorchen habe. Auch Offenheit sei wichtig: „Kinder müssen zuhause alles erzählen können, auch etwas über den Nachbarn, der schmusen wollte.“
Außerdem müssten Eltern ihren Kindern erklären, „dass Erwachsene nie die Hilfe von Kindern benötigen“.“ [4]
Aber auch im Aktionsplan der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung aus dem Jahr 2011 [5] ist zu lesen:
„Wie einleitend bereits dargelegt, sieht das Strafgesetzbuch heute schon einen umfassenden strafrechtlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt vor. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf ist derzeit lediglich im Hinblick auf die Umsetzung internationaler Rechtsinstrumente ersichtlich. Dies betrifft zum einen das „Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“ (ETS 201) und zum anderen die zukünftige Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, mit deren Inkrafttreten in Kürze zu rechnen ist. Sie bringt nur geringfügigen Umsetzungsbedarf im Strafrecht.“
Kindesmissbrauch seit Jahren rückläufig
Objektiv betrachtet ist die Zahl der Sexualstraftaten seit Jahren rückläufig. Durch die Massenmedien und ein geändertes Anzeigeverhalten werden lediglich mehr Straftaten in diesem Bereich bekannt, wobei diese meist auch noch durch die Medien publikumswirksam ausgeschlachtet werden. Rund 13.000 aller erfassten 6 Millionen Straftaten in der „Polizeilichen Kriminalstatistik 2007″ fallen in die Rubrik „Kindesmissbrauch“. Aber diese 0,2 Prozent der Straftaten erfahren eine öffentliche Anteilnahme wie wenige andere Straftaten. Wenn Kinder Opfer von sexualisierter Gewalt werden, übertragen sich Trauer und Schmerz der Angehörigen und Opfer auf die ganze Gesellschaft einer Stadt oder eines Landes. Die Empörung ist groß, ebenso die Ängste vor möglichen Wiederholungstaten. Die moralische Verurteilung ist absolut eindeutig.
Der BDP plädiert entschieden für eine sachbezogene Behandlung dieses Themas:
„Diese verbietet es, die Illusion zu nähren, dass durch härtere Bestrafung Gefahren generell gebannt werden können. Sie verlangt einen unverstellten Blick auf die Fakten. Zu diesen gehört auch die Tatsache, dass bereits eine bedeutende Verbesserung für die Sicherheit der Öffentlichkeit erreicht worden ist. Entgegen medial vermittelten Eindrücken ist die Fallzahl sexuell motivierter Tötungen von Kindern in den vergangenen Jahren rückläufig. Auch die Rückfälligkeit ist mit etwa einem Fünftel der
verurteilten Täter niedriger als in der Öffentlichkeit vermutet.“[6]
Vergeltung ist keine Prävention
Viele Menschen haben den Wunsch nach Vergeltung, und für diesen Wunsch ist es nicht erforderlich, dass jemand zugleich hofft, die Bestrafung werde die Täter und die Allgemeinheit von künftigen Taten abschrecken. Hingerichtet wird in Deutschland zum Glück niemand mehr, und das Grundgesetz schließt eine Wiedereinführung der Todesstrafe aus. Aber was ist nun von Vergeltungsforderungen zu halten? Nichts, sagen wir. Vergeltung als Strafzweck ist unsinnig, weil es keinen Nutzen für die Zukunft einer Gesellschaft bringt. Einen Straftäter NACH seiner Tat noch härter zu bestrafen als derzeit üblich – der Strafrahmen für sexuellen Mißbrauch wurde bereits in den Jahren 2004 und 2008 erhöht- schützt weder zukünftige Opfer, noch hilft es Opfern sexualisierter Gewalt und hält auch keine Täter davon ab, eine Straftat zu begehen. Auch Sexualstraftaten werden nicht durch die Angst vor Strafe verhindert, sondern durch ein intaktes moralisches Bewußtsein.
Populistische Instrumentalisierung
Auch Neonazis instrumentalisieren das Thema Kindesmissbrauch für ihre Forderungen nach mehr staatlicher Gewalt: Wenn sie „Kinderschänder“ härter bestrafen wollen, ist ihnen die Zustimmung zumindest in einem Teil der Bevölkerung sicher. Oft sind die NPD oder die lokalen Kameradschaften die ersten, die mit Transparenten auf der Straße stehen, wenn etwas derart Schreckliches bekannt wird. Dabei ist die Forderung nicht nur vom Inhalt paradox, sondern blanker Populismus zur Durchsetzung der eigenen politischen Forderungen. Eine längere Haftstrafe verhindert keine Erststraftaten und die Rückfallquote in Bezug auf Sexualstraftäter ist geringer als in anderen Deliktbereichen.
Wir rufen dazu auf, sich der Forderung nach härterer Bestrafung für Sexualstraftäter nicht anzuschließen. Ein verschärftes Strafrecht wird das Problem sexualisierter Gewalt nicht lösen, es wird neue schaffen.
Die härtere Bestrafung von Sexualstraftaten an Kindern macht diese nicht ungeschehen!
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