Donnerstag, 16. April 2015

Vom Flügel stutzen und assimilieren

Das offizielle Logo der Kampagne
Manchmal, nein immer, lohnt es sich, genau hinzuhören und hinzuschauen, besonders, wenn es um das Thema "Integration und Zuwanderung" geht. Seit einer ganzen Weile läuft sie nun schon, die Einbürgerungskampagne der Landesregierung. Schirmherr ist Innenminister Holger Stahlknecht, der sie vor zwei Jahren mit vollmundig-blumigen Worten startete:  

„Wir brauchen in Sachsen-Anhalt eine Willkommens- und Begegnungskultur. Menschen mit ausländischen Wurzeln, die zum Teil schon lange bei uns leben, müssen unsere Wertschätzung erfahren. Sie sollen das Gefühl  haben, dass sie in Sachsen-Anhalt anerkannt und willkommen sind. Das ist mir ein Herzensanliegen“ 

Ein "Herzensanliegen"! Das klingt doch erstmal toll, oder? Schaut man sich auf der Kampagnen-Webseite um, so begegnen einem neben einem nett drein lächelnden Innenminister noch allerhand nützliche Informationen rund um das Thema "Einbürgerung" - und ein offizielles Kampagnenlogo, das zum Download empfohlen wird. Und dieses Logo hat es in sich, verrät es doch mehr über den kruden Integrationsbegriff der handelnden Akteure als alles andere, was dort an Informationen zu finden ist.


Von links kommend verwandeln sich die bunten, freischwebenden und wilden Vögel - die Zugewanderten - Schritt für Schritt in schwarz-rot-goldende Blöcke, die sich in der letzten Stufe durch nichts mehr unterscheiden. Auf ihrem Weg zum "echten Deutschen" werden sie abgeschliffen, werden ihnen die Flügel gestutzt, werden sie zum uniformen und austauschbaren Quader. Kulturelle Identität und Individualität spielt im Anpassungsprozess zum deutschen Staatsbürger nach Stahlknecht-Manier offensichtlich nicht nur eine untergeordnete Rolle, sondern gar keine. Was zu zählen scheint, ist, dass am Ende ein ordentlicher deutscher Block dabei herausspringt, der sich nahtlos an andere Blöcke anzufügen hat. Da passt kein Blatt Papier mehr dazwischen. 

Stahlknecht und Kolleg*innen reden von "Willkommens- und Begegnungskultur", meinen aber Assimilation. Eine Begegnung findet ergebnisoffen und auf Augenhöhe statt. Es wird geredet, es wird ausgetauscht, es wird kennengelernt. Im Logo jedoch wird deutlich, dass der Integrationsbegriff der Landesregierung nicht vorsieht, eine solche "Begegnung" zu ermöglichen, die das vermeintliche Anderssein des Anderen, das vermeintliche Fremdsein des Fremden, akzeptiert oder gar "wertschätzt". Wäre es ein Wert, wären die freiheitlich vor sich hin schwebenden Flügel ein Wert, würden sie nicht gestutzt werden. Dieses Logo spricht eine deutliche Sprache: du willst Deutscher werden, also füge dich bitte in die schwarz-rot-kalte Gemeinschaft ein und vergiss dein altes Leben.

Der Assimilationsfetisch konservativ-reaktionärer Kräfte ist dabei nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist der zornige Volksmob, der seit Wochen gegen "Islamisierung", Geflüchtete, "Gendermainstreaming" oder "die da oben" aufmarschiert. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der weit verbreiteten Ablehnung "des Fremden" im Allgemeinen, die sich durchaus auch mal im Abfackeln von Flüchtlingsunterkünften Bahn bricht, und der soften Variante des Anpassungs- oder Assimilationsdrucks von oben. Dieser Druck ist nichts anderes als ein nationales Herrschaftsinstrument, freien, selbstbestimmten Individuen das Korsett des wie auch immer gearteten "Deutsch-Seins" anzulegen. Die Staatsbürgerschaft ist dabei der Preis, den es unter Inkaufnahme des Ablegens sämtlicher nicht-deutscher Eigenschaften zu gewinnen gibt.

Noch perfider als das Logo selbst ist der Aufruf, es zu downloaden und zu verbreiten: "Gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz ein Zeichen setzen. Nutzen Sie das Logo als Download. Zeigen Sie auf  Ihren Websites, in Ihren sozialen Netzwerken mit dem Logo, dass Sachsen-Anhalt ein tolerantes und weltoffenes Land ist. Leiten Sie es an  Ihre Verwandten, Freunde und Bekannten weiter."

Nein, "liebe" Landesregierung, eure Assimilationspolitik ist nicht geeignet, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu bekämpfen, ganz im Gegenteil, sie befördert solche Ressentiments, indem sie aus selbstbestimmten Menschen Nationsangehörige machen will, die sich gefälligst in das nationale Imperativ einzuhegen haben. Und was ihr dabei leider auch nicht verstanden habt: es ist der gewöhnlichen PEGIDA-Kartoffel egal, ob der Schwarze in der Straßenbahn die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht, er möchte ihn trotzdem brennen sehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen