Dienstag, 1. April 2014

Stadt und MVB sagen "Wild-Plakatierern" den Kampf an und machen den Weg frei für eine durchkommer-zialisierte Innenstadt

Das politische Plakat - bald ausgestorben?
Was macht ein Stadtbild aus? Leere Hausfassaden und einige offiziell anerkannte Sehenswürdigkeiten? Oder die Zeichen des Lebens ihrer Bewohner*innen?
Zeichen wie die zahlreichen Veranstaltungsankündigungen in Plakatform, die in dicken Schichten an den Großmasten auf dem Breiten Weg kleben.

Die Volksstimme schrieb am vergangenen Donnerstag, dass sich Stadtführer*innen beschwert hätten, "dass es nahezu peinlich wäre, Gäste der Stadt an den "illegalen Litfaßsäulen" vorbeizuführen." Daraufhin kündigte Oberbürgermeister Lutz Trümper an, dass in Zukunft ein Bekleben der Masten als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe in Höhe von 5.000€ belegt werden soll.

Doch wieso sind die beklebten Masten "peinlich"? Stört es Stadtbesucher*innen, dass in Magdeburg etwas los ist? Dass hier Veranstaltungen stattfinden und Demonstrationen? Oder stört es sie, dass es keine kostenlosen legalen Möglichkeiten gibt, auf solche Veranstaltungen aufmerksam zu machen?

Wie soll sich ein reiches Kulturleben entwickeln, wenn keine öffentliche Kommunikation stattfinden kann? Selbst in Zeiten des Internets verirren sich oft nur diejenigen auf eine Veranstaltungsseite, die den*die Veranstalter*in bereits kennen oder von Freunden darauf aufmerksam gemacht wurden.

Gerade für kleine und nichtkommerzielle Veranstalter*innen bietet das Plakat eine gute Werbemöglichkeit. An prominenten Stellen angebracht, erreicht es viele Menschen und ist besser sichtbar als ein Flyer. Kommerzielle Veranstalter*innen können sich Plakatplätze kaufen und würden dadurch bei einer Einschränkung des "Wilden Plakatierens" das Stadtbild noch stärker dominieren als es schlechterdings ohnehin schon der Fall ist. Was wir unter dem Stichwort der Netzneutralität gerade online diskutieren, scheint man seitens der Stadtverwaltung also offline schon mal durchsetzen zu wollen: Die Errichtung von Bezahlschranken zur Behinderung von Informationsflüssen. Die Zensur 2.0 ist also nicht mehr die per einschränkendem Gesetz, sondern die der begrenzten liquiden Mittel. 

Statt eines gesellschaftlich-kommunikativen Austauschs würden wirtschaftliche Interessen noch stärker im Vordergrund stehen. Wollen wir wirklich die gesamte Öffentlichkeit kommerzialisiert sehen? In jüngster Zeit wurde an den genannten Großmasten zum Beispiel für den Fahrradaktionstag plakatiert, für die Demonstrationen gegen die Hochschulkürzungen oder für die Meile der Demokratie sowie die Blockaden gegen den Naziaufmarsch im Januar. Plakate sind also auch für die politische Betätigung wichtig. Sie sind ein regelrechter Ausdruck eines demokratischen Gemeinwesens. Demokratische Beteiligung und politische Kommunikation sind aus unserer Sicht höhere Güter als "Sauberkeit" oder "Ordnung". Diese Möglichkeit der öffentlichen Kommunikation darf also auf keinen Fall wegfallen.

Es braucht kostenlose Plakatierplätze, um ein von den Einwohner*innen geschaffenes Kultur- und Politikleben überhaupt zu ermöglichen. Deshalb fordern wir die Einrichtung von Anschlagswänden, an denen nichtkommerzielle Veranstalter*innen kostenlos und legal Plakate anbringen dürfen. Diese Anschlagswände sollten sinnvollerweise an stark frequentierten Orten stehen, also am Alten Markt, am Bahnhof, am Hasselbachplatz und an der Sternbrücke. Des Weiteren soll die Kriminalisierung von Plakatier*innen, die nicht einmal eine Sachbeschädigung begehen, wenn sie neue Plakate mit Klebeband auf abgelaufenen Plakaten anbringen, augenblicklich gestoppt werden.

Lasst uns als Bewohner*innen Magdeburgs diese Stadt gestalten und dies nicht denen überlassen, die dafür Geld bezahlen können! Für ein Recht auf Stadt, für künstlerische und politische Freiräume! Unseretwegen auch unter dem Motto "Otto plakatiert - wild!"

P.S.: Das Datum lässt vermuten, es handele sich hierbei im einen Aprilscherz. Dem ist aber leider nicht so.

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