Am vergangenen Sonntag erhielt die faschistische Partei JOBBIK bei den ungarischen Parlamentswahlen einen Stimmenanteil von über 20%, während die nationalkonservative FIDESZ die verfassungsändernde 2/3-Mehrheit mit knapp 45% verpasste. Beide Parteien entrechten seit mehreren Jahren systematisch die große Minderheit der Roma, die etwa ein Zehntel der Gesamtbevölkerung ausmacht.
Längst ist hierbei nicht mehr nur von Diskriminierung zu sprechen - es ist offene Verfolgung. Paramilitärisch organisierte faschistische Milizen, die regelmäßig Hetzjagden und Pogrome gegen Roma duchführen, versuchen das umzusetzen, was Orbans FIDESZ strukturell begleitet: die vollständige Marginalisierung und Vertreibung dieser Menschen. Der partielle Ausschluss vom Bildungssystem und Arbeitsmarkt, die Einführung eines Sanktionsapparates und Arbeitspflichtregimes, die ethnisierte Registrierung, das Einstellen der Trinkwasserversorgung und die Umkehr der hate-crime-Gesetzgebung auf "ethnische Ungarn" stellen dabei wichtige Bausteine dieser systematisch angelegten Kampagne dar. Umso unerträglicher ist es, dass die deutsche Regierungspartei CDU der hierfür verantwortlichen Partei FIDESZ "herzlich zum klaren Wahlsieg" gratulierte, ohne dabei auch nur ansatzweise auf die geschilderten Verbrechen einzugehen.
Roma sind jedoch nicht nur in Ungarn Opfer von systematischer und
struktureller Diskriminierung. Auch auf dem Balkan, in Tschechien,
Rumänien, Bulgarien und anderen Ländern weht ihnen der Wind des Hasses
entgegen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht
dabei auch die europäischen Regierungen in der Verantwortung: „Die
Gewalttäter werden ermutigt von der passiven Haltung der Regierungen,
die eine systematische Diskriminierung von Roma stillschweigend
hinnehmen. Statt entschlossen der Gewalt und Diskriminierung
entgegenzutreten, schüren viele europäische Politiker sogar den Glauben,
Roma seien für ihre Ausgrenzung selbst verantwortlich. Derartige
Äußerungen auch von ranghohen Politikern feuern Gewaltbereitschaft in
der Gesellschaft nur noch weiter an und sind eine Verdrehung der
Tatsachen. Die derzeitige Situation vieler Roma lässt sich auf die
jahrelange Missachtung der Rechte dieser größten europäischen Minderheit
zurückführen.“ [1]
Die Situation der etwa 100.000 in Deutschland lebenden Roma scheint auf den ersten Blick etwas besser zu sein, doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich dieselben Muster. Führende konservative Politiker kolportieren und reproduzieren die Jahrhunderte alten Stereotype der „kriminellen“ und „integrationsunwilligen“ Roma, vor denen sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft schützen müsse. Slogans wie „Wer betrügt, der fliegt“ oder die Reduzierung von Migration aus Rumänien und Bulgarien zu „Armutsmigration“ und „Sozialtourismus“ konstruieren dabei das Bild des „Zigeuners“, der es nur auf deutsche Sozialleistungen abgesehen habe und dabei nicht arbeiten wolle. Massive Unterstützung erfährt diese Strategie der Ausgrenzung durch zahlreiche Medien- und Rundfunkanstalten, bei denen sich die Öffentlich-Rechtlichen besonders hervortun, indem sie beispielsweise Zuwanderungszahlen verfälschen, entkontextualisieren oder Migration und Kriminalität ethnisieren. Das Narrativ des „Roma-Problems“ ist dabei tonangebend. [2]
Besonders am heutigen Internationalen Tag der Roma ist es wichtig, auf den antiziganistischen Konsens in Europa hinzuweisen. Nicht nur aus diesem Grund haben wir zusammen mit vielen anderen Organisationen und Vereinen die landesweiten „Aktionstage gegen Antiziganismus“ [3] ins Leben gerufen, die seit dem vergangenen Samstag laufen. Mit 13 Veranstaltungen in fünf Städten wollen „wir verschiedene Aspekte und Blickwinkel diskutieren und beleuchten, um ein deutliches Zeichen zu setzen. Wir wollen die fortwährende alltägliche Diskriminierung von Roma nicht tatenlos hinnehmen und stellen den antiziganistischen Hetzer*innen unsere grenzenlose Solidarität entgegen!“ Wir wünschen uns ein Umdenken und eine breite Debatte. Nicht „die Roma“ sind das Problem - das Problem heißt Antiziganismus!
[1] https://www.amnesty.de/2014/4/7/gewalt-gegen-roma-europa-nimmt-zu?destination=startseite
[2] Der Antiziganismusexperte Markus End wird im Mai 2014 ein Buch zu
diesem Thema publizieren. Am vergangenen Samstag ging er im Rahmen einer
Veranstaltung mit dem Titel "Von 'Sozialtourismus' und
'Armutszuwanderung'" auf die Rolle der Medien beim Thema Antiziganismus
ein. Wie sehr Antiziganismus die aktuelle Debatte prägt, zeichnet er
u.a. hier nach: http://www.dw.de/antiziganismus-pr%C3%A4gt-zuwanderungsdebatte/a-17354910
[3] Mehr Informationen zu den Aktionstagen gegen Antiziganismus auf aktionswocheantiziganismus.blogsport.de
Die Situation der etwa 100.000 in Deutschland lebenden Roma scheint auf den ersten Blick etwas besser zu sein, doch bei genauerem Hinsehen zeigen sich dieselben Muster. Führende konservative Politiker kolportieren und reproduzieren die Jahrhunderte alten Stereotype der „kriminellen“ und „integrationsunwilligen“ Roma, vor denen sich die deutsche Mehrheitsgesellschaft schützen müsse. Slogans wie „Wer betrügt, der fliegt“ oder die Reduzierung von Migration aus Rumänien und Bulgarien zu „Armutsmigration“ und „Sozialtourismus“ konstruieren dabei das Bild des „Zigeuners“, der es nur auf deutsche Sozialleistungen abgesehen habe und dabei nicht arbeiten wolle. Massive Unterstützung erfährt diese Strategie der Ausgrenzung durch zahlreiche Medien- und Rundfunkanstalten, bei denen sich die Öffentlich-Rechtlichen besonders hervortun, indem sie beispielsweise Zuwanderungszahlen verfälschen, entkontextualisieren oder Migration und Kriminalität ethnisieren. Das Narrativ des „Roma-Problems“ ist dabei tonangebend. [2]
Besonders am heutigen Internationalen Tag der Roma ist es wichtig, auf den antiziganistischen Konsens in Europa hinzuweisen. Nicht nur aus diesem Grund haben wir zusammen mit vielen anderen Organisationen und Vereinen die landesweiten „Aktionstage gegen Antiziganismus“ [3] ins Leben gerufen, die seit dem vergangenen Samstag laufen. Mit 13 Veranstaltungen in fünf Städten wollen „wir verschiedene Aspekte und Blickwinkel diskutieren und beleuchten, um ein deutliches Zeichen zu setzen. Wir wollen die fortwährende alltägliche Diskriminierung von Roma nicht tatenlos hinnehmen und stellen den antiziganistischen Hetzer*innen unsere grenzenlose Solidarität entgegen!“ Wir wünschen uns ein Umdenken und eine breite Debatte. Nicht „die Roma“ sind das Problem - das Problem heißt Antiziganismus!
[1] https://www.amnesty.de/2014/4/7/gewalt-gegen-roma-europa-nimmt-zu?destination=startseite
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