Mittwoch, 4. Juni 2014

Aufmarsch der Aluhüte

Ken Jebsen auf einer Friedensdemo. Bild: JamesReaFotos/flickr.
Es folgt ein Text eines Mitglieds unserer Gruppe, der am 01. Juni 2014 auf critica-online, der Seite des Magazin des Studierendenverbandes Die Linke.SDS, erschienen ist.

Seit mehreren Wochen ruft eine ominöse Friedensbewegung zu Montagsdemos oder "Mahnwachen für den Frieden" auf. Die AkteurInnen hinter diesen Veranstaltungen sind mit äußerster Vorsicht zu genießen. Ein Plädoyer für eine kritische Distanz.



Von Robert Fietzke 

Alles, was sich bewegt, ist gut? Mitnichten. Die „Friedensbewegung 2014“ stellt die politische Linke vor große Herausforderungen. Sie offenbart zum einen, dass es viele Menschen gibt, die aus einem echten friedenspolitischen Interesse auf die Straße gehen, zeitigt aber zum anderen inhaltlich äußerst vermintes Terrain. Wenn Lars Mährholz, Organisator der neuen „Montagsdemos“ in Berlin, meint, alle Kriege in den letzten 100 Jahren seien von der FED verschuldet worden, dann relativiert er damit die Verbrechen Nazideutschlands und die deutsche Kriegsschuld. Wenn Ralf Schurig, ebenfalls im Berliner Organisationskreis tätig, Sätze sagt wie „auch die Juden haben einen Holocaust betrieben und an einer geschichtlichen Aufarbeitung sind die Zionisten aus gutem Grund nicht interessiert“, dann ist diese „Bewegung“ nicht nur mit Vorsicht zu genießen, sondern dann ist hier kritische Intervention erforderlich. Umso mehr ist das der Fall, wenn die Stars der rechtsaffinen Verschwörungscommunity auf den Plan treten: Ken Jebsen, Andreas Popp und Jürgen Elsässer sind die Stichwortgeber schlechthin.

Querfrontstrategen unter sich

Ken Jebsen, das fleischgewordene Schwert der Demagogie, ist bekannt für seine antisemitischen Ansichten, aber auch für rhetorisches Geschick. Um seine Person und seinen „Nachrichten“-Kanal KenFM hat sich ein regelrechter Kult entwickelt. Jebsen kollaboriert inhaltlich mit dem deutschen Querfrontstrategen Jürgen Elsässer. Dieser betreibt das verschwörungsideologisch-reaktionäre COMPACT-Magazin, das auch bei den sogenannten „Wahnmachen“, einer Schmähvariante des Wortes "Mahnwache", verteilt wird. COMPACT veranstaltete im November 2013 eine „Souveränitäts-Konferenz für die Zukunft der Familie“ in Leipzig, an der neben Sarrazin und Eva Hermann auch Elena Misulina, die Erfinderin des russischen „Homopropaganda-Gesetzes“, teilnahm. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Chefredakteur persönlich. Diese Konferenz kann als bisher ambitioniertester Versuch, eine homophobe Massenbewegung nach französischem Vorbild aufzubauen, gesehen werden. So kommt es nicht von ungefähr, dass Elsässer ganz offen für die rechtspopulistisch-nationalneoliberale „Alternative für Deutschland (AfD)“ wirbt, die ein ähnlich reaktionäres Familienbild propagiert.

Popp hingegen, der dritte Montagsquerfront-Promi, ist eher bekannt für die strukturell-antisemitische Kritik des „Zinseszins-Schulden-Geldsystems“, die er vor allem bei Vorträgen oder auf seiner viel besuchten Webseite zum Besten gibt. Seine Inspirationsquelle, auf die er sich stets positiv bezieht, ist der Nationalsozialist Gottfried Feder, der die Kritik an der „Zinsknechtschaft“ durch das „Weltfinanzjudentum“ ins NSDAP-Parteiprogramm schrieb, wofür ihm größte Führer-Ehre zu Teil wurde: Hitler dankte ihm höchstpersönlich. Die Einteilung in das „gute, schaffende Industriekapital“ und das „böse, raffende Finanzkapital“ durchzieht Popps „Lehren“ wie ein brauner Faden. Braun ist auch seine Vorliebe für die antisemitisch-verschwörungsideologische „Germanische Neue Medizin“.

Mit Menschenfeinden Frieden schmieden?

Ich kann großes Verständnis dafür aufbringen, Bewegungen von links zu politisieren. Linke müssen sich aber zuallererst fragen, mit welchen Leuten sie hier gemeinsame Sache machen würden, würden sie sich aktiv einmischen. Die selbsternannte „Friedensbewegung 2014“ ist schon im Ansatz so gefährlich und kritisch, dass eigentlich nur noch die Intervention von Außen bleibt, so wie sie bereits in vielen Städten praktiziert wird. Diese Intervention sollte zunächst rein inhaltlicher Natur sein, nicht anklagend, die richtigen Fragen stellend und von niedrigschwelliger Kommunikation begleitet. Wenn sich erreichen lässt, dass die jeweiligen Organisationskreise in den Städten zu einem klaren und ernstgemeinten Bekenntnis gegen Faschismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit bereit sind, ist schon viel geschafft. Dann bleiben auch die Nazis zu Hause.

Verschwörungsideologisches Denken, verkürzte Zirkelschlüsse, Rassismus und Antisemitismus sind dann bei einem Großteil der BesucherInnen zwar immer noch vorhanden Aber diese Denkmuster sind dekonstruierbar, wenn man sie als Spiegelbild der in der „Mitte der Gesellschaft“ vorhandenen Einstellungsmuster akzeptiert. Letztendlich sollten Linke darauf hinarbeiten, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass mit Nationalismus und Rassismus nicht nur niemals Frieden zu machen ist, sondern dass sie die zentralen Ursachen für Kriege aller Couleur darstellen. Politische Bildung und Aufklärung als „einzig legitime Gewaltmittel im alltäglichen Kampf“ sind also mal wieder angebracht. Das hätte Rosa Luxemburg wahrscheinlich auch so gesehen.


Info: Der Debattenbeitrag spiegelt die Meinung des Autors wider. Du bist anderer Meinung? Dann schreib uns: info@critica-online.de

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