Am 19. September hat der Bundesrat über die von der Regierung geplanten Reformen im Asylrecht abgestimmt. Genauso wie der „Asylkompromiss“ im Jahr 199, hat auch dieser neue „Asylkompromiss 2014“ vor allem ein Ziel: Die Zahl der in Deutschland als asylberechtigt anerkannten zu verringern.[1]
Im
Zuge der Debatte darum, liest man jetzt in den Kommentarspalten der
Zeitungen und sozialen Netzwerke immer wieder Meinungen einer ganz
bestimmten Kategorie: „Wir können ja gar nicht mehr tun, denn wir
Deutsche sind ja selber arm.“
Von besonneneren Kommentator*innen kommt dann manchmal als Antwort der Witz:
Schauen wir uns doch mal an, wie groß eigentlich die Kekse sind, die wir verteilen könnten:
1. Wir
produzieren genug zu Essen, um viel mehr Menschen ernähren zu können.
Ungefähr die Hälfte der produzierten Nahrungsmittel werden irgendwo auf
dem Weg zum menschlichen Mund aussortiert und weggeworfen. [2]
2. Wir haben genügen Wohnraum, um (dezentral) wohnen lassen zu können. Es gibt zum Beispiel fast
ausgestorbene Dörfer und Kleinstädte im deutschen Osten, in denen
Menschen unterkommen könnten. Deutschlandweit stehen ungefähr 1,7
Millionen Wohnungen leer.[3] Nicht alle davon sind in gutem Zustand, stimmt. Aber es kommen ja mit den
auch Maurer*innen, Zimmerleute, Tischler*innen, Dachdecker*innen und
andere Handwerker*innen. Menschen, die arbeiten können und wollen. Wenn
man ihnen die Chance und etwas Hilfe geben würde, könnten sie alte
Häuser renovieren, um für sich und ihre Familien ein neues Heim zu
schaffen.
Um
einen solchen Plan umzusetzen, müsste man natürlich die kleinen Städte
und ländlichen Siedlungsgebiete attraktiv machen – für Zuwanderer
und deutsche Staatsbürger*innen gleichermaßen. Das erfordert eine
Stärkung der lokalen Wirtschaftskreisläufe bei gleichzeitigem Schutz der
Umwelt, eine gute infrastrukturelle Anbindung durch Eisenbahn und
Nahverkehr, es erfordert den Aufbau kleiner lokaler Schulen und
Kindertagesstätten, sowie eine Förderung des kulturellen Lebens.
3. Kleidung und andere tägliche Gebrauchsgegenstände haben wir auch im Überfluss. Leider vor allem deshalb, weil wir sie zu Billigpreisen aus armen Ländern importieren, auf dem Rücken der Arbeiter*innen dort.
Wir könnten all das aber auch selbst herstellen.
Das
Internet ist voll von Leuten, die hobbymäßig schneidern, handarbeiten
und ganz viele andere Sachen selber herstellen. Und sie würden gern noch
mehr tun, wenn sie das Geld, die Zeit und die Ausbildung dazu hätten.
Wir
haben eine jahrhundertelange Handwerkstradition, nur leider können sich
heutzutage nur noch Wenige die nicht in Massenproduktion hergestellten
Dinge leisten.
Wir
könnten aber durch eine Umgestaltung der Arbeitswelt, durch
Arbeitszeitverkürzung, höhere Stundenlöhne und für jede*n zugängliche
Aus- und Weiterbildungsprogramme die Produktion zum Teil wieder in die
Hände des*der Einzelnen legen.
4. Für alles, was man nicht selbst herstellen kann, oder was in großen Mengen gebraucht wird, haben wir bereits eine ausgesprochen produktive Industrie. So produktiv, dass wir seit 1952 jährlich mehr Güter exportieren als importieren. Im Jahr 2014 hat dieser Überschuss sogar solche Ausmaße erreicht, dass die EU Deutschland dafür gerügt hat.[4]
Wie
einfach wäre es doch, die Produktion ein wenig herunterzufahren und
vornehmlich für den Eigenbedarf zu produzieren. Und wenn mehr Menschen
nach Deutschland kommen, können wir beruhigt sein: Luft nach oben allemal.
5. Wir haben genügend Geld.
Das Nettoprivatvermögen der Deutschen beträgt ca. 6,3 Billionen Euro[5]. Ziehen wir die Staatsschulden von ca. 2 Billionen Euro [6] ab, dann bleiben 4,3 Billionen Euro übrig.
Würde
man jedem*r Bundesbürger*in vom Säugling bis zum Greis ein Vermögen von
10.000€ zugestehen, so blieben noch 3,49 Billionen Euro, die man
nutzen könnte.
Fun Fact:
Mit 4.000 Dollar (3.112 €) Vermögen gehört ein Erwachsener bereits zur reicheren Hälfte der Menschheit.[7]
Bekäme nun jede, der
nach Deutschland kommt, monatlich 1.000 Euro bar auf die Kralle, so
könnte man allein von dem im Moment auf Konten herumgammelnden
Geldvermögen …
…
zusätzlich zu den bereits hier lebenden Menschen noch 29 Millionen mehr
für 10 Jahre lang versorgen, wobei diese sich die ganze Zeit in die
Hängematte legen könnten und keinen Finger krumm machen müssten.
In
der Realität wäre das natürlich Quatsch, da diese Menschen
selbstverständlich hier arbeiten und am Wirtschaftskreislauf teilnehmen
würden. Gäbe man ihnen wie jedem Bundesbürger pro Person 10.000€, so
könnten wir
theoretisch 349 Millionen zuziehende Menschen mit diesem Startkapital
ausstatten und sie dann selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen lassen.
Fun Fact:
Ende 2012 lebten in Deutschland 571.000 [8]. Selbst wenn es mittlerweile mehr sind, nicht mal annähernd in einem kritischen Bereich.
6. Wir haben die Kapazitäten, diese Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Ein beliebtes Argument ist ja, dass eine massenhafte Zuwanderung kulturelle Spannungen hervorrufen würde.Und
ja – es gibt natürlich manchmal Probleme, wenn Menschen aus
unterschiedlichen Kulturkreisen, mit unterschiedlichem Bildungsstand und
unterschiedlichen Lebenserfahrungen aufeinander treffen.
Natürlich kommen einige der
aus Milieus, in denen es Gewalt, Unterdrückung und wenig Bildung gab,
in denen die Gesellschaft verroht und die staatliche Ordnung zerfallen
war. Und natürlich wirkt sich das auf die Wertvorstellungen und das
Verhalten dieser Menschen aus.
Genauso,
wie sich der wachsende soziale Druck und das heruntergekommene
Bildungssystem auf die Wertvorstellungen und das Verhalten der Deutschen
auswirkt.
Menschlichkeit
ist keine Frage der Herkunft. Sie ist eine Frage der Sozialisation. Und
wenn die Sozialisation bisher unbefriedigend verlaufen ist, so muss man
den Betroffenen Hilfestellung geben, sich zu verändern. und Deutschen gleichermaßen.
so viele Menschen, die gern in sozialen Berufen arbeiten wollten, und sich durchaus auch in der Integration von Zuwanderern engagieren würden. Oder auch für eine Verbesserung der Gesellschaft im Allgemeinen.Sie brauchen nur eine fundierte Ausbildung und einen auskömmlichen Lohn und die Sache läuft.
Jährlich
bewerben sich mehr Leute auf Studiengänge für "Soziale Arbeit" oder
"Medizin" oder "Psychologie" als es Plätze gibt. Also müssen Plätze schaffen und die ausgebildeten Fachkräfte können dann diejenigen in unserer Gesellschaft unterstützen, die in irgendeiner Form Probleme haben.
Nein, all das wäre absolut kein Problem. Wir haben bereits eine gute Infrastruktur, wir haben Geld und einen halbwegs funktionierenden Verwaltungsapparat. Wir müssten es alles bloß besser und menschlicher gestalten und endlich die vorhandenen Güter gerecht verteilen.Es fehlt einzig und allein am politischen Willen. An nichts anderem.
Interessanter Artikel zum Weiterlesen: http://www.zeit.de/2013/43/fluechtlingspolitik-europa-fragen-antworten
*Wir lehnen die Dichotomie zwischen dem nationalen Konstrukt "Wir" und "den anderen" (Flüchtlingen, Nicht-Staatsbürger*innen etc.) ab, weil sie eine Unterscheidung dessen vornimmt, was nicht zu unterscheiden ist, und somit eine Rangfolge von Wertigkeit festlegt. Weiß und deutsch = gut, schwarz und Flüchtling = nicht gut. Dies ist eine von vielen Ursachen für Rassismus, Nationalismus und Chauvinismus ist. Für uns gibt es hingegen nur gleichwertige Menschen.
Quellen:
[1] http://www.neues-deutschland.de/m/artikel/946466.asylrecht-gruen-rot-stimmt-mit-schwarz-rot.html
[4] http://www.welt.de/wirtschaft/article125457217/EU-ruegt-Deutschland-wegen-Exportueberschuss.html
[7]
„Our estimates for mid-2013 indicate that once debts have been
subtracted, an adult requires just USD 4,000 in assets to be in the
wealthiest half of world citizens.“ aus https://publications.credit-suisse.com/tasks/render/file/?fileID=BCDB1364-A105-0560-1332EC9100FF5C83, Seite 10, linke Spalte
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