Montag, 25. März 2013

Wieviel Zukunft brauchen wir wirklich?

Haseloff: Weniger ist mehr! ©
Ministerpräsident Haseloff kündigte an, dass zukünftig rund 22.000 von 55.000 Studienplätzen in Sachsen-Anhalt eingespart werden sollen. Betrachtet man die Situation an den Hochschulen, könnte man sich fast dieser Forderung anschließen. Täglich sehen wir unterbezahlte und überlastete Lehrende aus dem akademischen Mittelbau, Vorlesungen zu unmöglichen Zeiten, weil zu normalen Zeiten keine Hörsääle mehr frei sind, überarbeitete Studentinnen und Studenten, die verzweifelt versuchen, in diesem Chaos den Kopf über Wasser zu halten. Da möchte man meinen, eine Reduktion der Studierendenzahlen kann diesem System nur gut tun.

Zumindest wenn man das System Hochschule als ein neoliberales Effizienzlabor begreift und verkennt, dass beispielsweise ein Einsparen von Studienplätzen auch automatisch ein Einsparen von Lehrpersonal bedeutete und damit der Betreungsschlüssel sich nicht ändern würde. Die Folgen für unsere Gesellschaft jedoch wären verheerend. Hochschulen sind mehr als Bildungsfabriken - sie sind der Ort für Innovation und Forschung und der Entwicklung und Sozialisation von Menschen. Sachsen-Anhalt hat keine Rohstoffe, die die Wirtschaft ökonomisch tragen können. Wir müssen in die "Köpfe" investieren - jedoch ist Bildung keine Ware.


Hochschulen dürfen nicht den kapitalistischen Marktlogiken unterworfen werden, da sonst Wissenschaftszweige aufgrund fehlenden "Markterfolges" wegrationalisiert werden. In diesem Zusammenhang kann man sich auch mal die Frage stellen, welchen Wert beispielsweise geschichtliche Aufarbeitung hat. Hilft es uns nicht, zu wissen woher wir kommen, um besser zu verstehen wer wir heute sind? Wieviel ist das wert? Was wollen wir dafür bezahlen? Welchen Wert hat Soziale Arbeit? Philosophie? Einige Studienrichtungen lassen sich weniger gut "zu Geld machen". Sind sie deswegen wertlos, ohne Wert für uns? Studiengänge sollten nur eingestampft werden, weil sie überholt und uninteressant für die Menschen geworden sind. So ist die Ausbildung zum Katapultschützen heute aus vielerlei Hinsicht hinfällig geworden. Warum aber keine Kulturingenieur*innen mehr gebraucht werden, müssen die Verantwortlichen dann doch noch erklären. Sind sie es nicht, die die Lebensqualität in Magdeburg in den letzten Jahren durch zahlreiche, zum Teil äußerst kreative, Kulturangebote erhöht haben? Und ist es nicht die Lebensqualität einer Stadt, die das Leben in dieser erst lebenswert macht? 
Zum Glück hat der Senat richtig entschieden und den Studiengang erhalten.

Katapultschütze: Wenig zeitgemäß. ©
Kann es zu viele Studierende geben? Wohl kaum. Wer Bildung erhalten möchte, sollte einen Zugang zu ihr erhalten. Denn Bildung ist eine Investition in die Zukunft. Bildung Menschen aus allen sozialen Schichten zu ermöglichen, ist der einzige Weg für eine faire Zukunft mit Teilhabemöglichkeiten für alle. Bereits heute gibt es eine starke Ungleichverteilung der existierenden Studienplätze auf Kinder aus Akademiker- und Kinder aus Nichtakademikerfamilien. Eine Einsparung von Studienplätzen würde eine Verschärfung der Zulassungsbeschränkungen nach sich ziehen und Kinder aus Familien fern vom Bildungswesen noch stärker benachteiligen. Damit wird es Bildungsaufsteiger*innen noch schwerer gemacht. In Zukunft werden durch die angekündigte Streichung 40% weniger Menschen studieren dürfen, obwohl sie es wollen und formal auch die Berechtigung dazu hätten. 

Ökonomie ist wichtig. Und bei genauerem Hinsehen wirken sich die aktuellen Entwicklungen auch fatal auf die hiesige Ökonomie aus. Studierende, die hier an Hochschulen eingeschrieben sind, machen nicht selten auch in regionalen Unternehmen und Institutionen Praktika. Oder bleiben nach ihrem Studium hier. Sie gründen Familien und Unternehmen. Diese Menschen will man nun nicht mehr hier haben? Sachsen-Anhalt braucht die Potentiale der Einwohner*innen, die Innovationskraft aller und vor allem mehr Arbeitsplätze. Und da will man bei der Bildung massiv sparen? Wirklich? Würden Unternehmen nicht aber auch sparen, um Schulden abzubauen? Sehen wir uns das mal an: Jedes größere Unternehmen hat eine Forschungsabteilung. Forschung und Entwicklung sind im Unternehmen die Grundlage für künftige Erfolge. Hier einzusparen bedeutet die Beschneidung der eigenen ökonomischen Zukunft. Unternehmen waren und sind also auch in der der Krise gut beraten, weiter in Forschung und Entwicklung zu investieren. Warum sollte Sachsen-Anhalt das nicht auch tun? Genauso wie Unternehmen verstärkt in Mitarbeiter*innen investieren, muss das Sachsen-Anhalt auch tun.

Darum: Für ein breites Angebot an Studiengängen mit einer ausreichenden Zahl an Studienplätzen. Vielfalt in der Bildung erhalten und nicht monopolisieren. Wer heute bei Bildung spart, schafft für morgen mehr Probleme als er löst. Also: Schluss mit diesen Kürzungsgelüsten dieser katastrophalen Landesregierung!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen