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Ein schockierendes Bild der schweren Uni-Krawalle |
Am 12. Januar 2017 verhinderten 400 Studierende, Schüler*innen und andere die erste Veranstaltung der AfD-Hochschulgruppe 'Campus Alternative' an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Während Videos und Beiträge zu den Protesten in den sozialen Medien durch die Decke gingen - bei Youtube trendete ein Video auf Platz 3 - und das Echo dort zum großen Teil positiv war, stieß die Aktion bei einigen Medienschaffenden, dem Rektor Strackeljahn und dem Innenminister Holger Stahlknecht (CD) auf zum Teil scharfe Kritik bis hin zur kollektiven Kriminalisierung aller Demonstrant*innen als "Antidemokraten", "Krawallmacher" und "Gewalttäter". Die Medienstrategie der AfD, sich als das ewige Opfer einer angeblich ausgrenzenden Praxis durch Menschen, die keine Lust auf die faschistoiden Gesellschaftsentwürfe der AfD haben, zu stilisieren, ging, zumindest was die Ebene der veröffentlichten Meinung angeht, auf.
Ungeahnte Schützenhilfe erhielt sie beispielsweise durch einen MDR-Kommentar, den Poggenburg mit folgenden Worten auf seiner Facebook-Seite verlinkte:
"#Antifa regiert (noch) deutsche Unis, aber eine neue alternative Kraft, die #AfD,
ist gekommen, um diese linksextreme und verfassungsfeindliche faule
Bande zusammen mit der Polizei von unseren Hochschulen zu jagen [sic!]"
Am kommenden Freitag wird die Hörsaalbesetzung auf Wunsch der AfD-Fraktion Thema im Landtag von Sachsen-Anhalt sein. Einige aus unserer Gruppe waren am 12. Januar ebenfalls im Hörsaal. Uns hat sich dabei ein viel differenzierteres Bild ergeben:
Pascal: Ich
war Teil der Menge, welche oben auf der Treppe stand. Von dort aus
konnte ich nicht viel sehen. Als einzige Quellen dienten mir umstehende
Demonstranten und Handybildschirme. Das Irgendetwas ernsteres vorne
geschah bemerkte ich erst, als ein Genosse besorgt den Hörsaal verließ.
Von einer Eskalation oder einem „Tumult“ erinnere ich mich nichts
mitbekommen zu haben. Alles in allem war ich und bin ich auch weiterhin,
euphorisch. Wegen der großen Teilnehmerzahl, dem Erfolg des Protests
und vor allem wegen dem Fluidum das dort herrschte. Um ehrlich zu sein
war ich danach fast schon enttäuscht wie schnell das Ganze wieder vorbei
war. Für mich war die Demo ein großartiger Erfolg. Nicht nur haben wir
an diesem Tag Poggenburg und Freunde aus der Universität vertrieben,
sondern dazu noch eine Tragweite erreicht, die ich von Magdeburg nicht
kenne.
Hagen: Ich
war seit ca. 17:00 Uhr im Hörsaal und saß ziemlich weit oben, also
hatte ich einen guten Blick auf auf die bevorstehenden Veranstaltungen.
Die Stimmung während der ersten Veranstaltung, war entspannt und leicht
euphorisch. Nach dem sehr interessanten Vortrag von Frau Tiefel blieben
wir im Hörsaal bis zu beginn der Veranstaltung der Campus Alternative
sitzen.
Die
Stimmung änderte sich schlagartig als Poggenburg und Entourage den
Hörsaal betraten. Wir begrüßten sie mit "Buh"- und "Es gibt kein Recht
auf Nazipropaganda"-Rufen nach kurzer Zeit bereitete der Referent Wolf,
seinen Vortrag vor danach trat ein zugehöriger der Entourage ans
Mikrofon, evtl. war er von der Campus Alternative, seine Ansprache
konnte ich nicht so gut verstehen, da zuvor auch Mitglieder der
Entourage den Alarm an der Notausgangstür im Hörsaal auslösten. Danach
trat Poggenburg ans Mikrofon bezeichnete alle Anwesenden als
"Linksfaschisten". Während Poggenburg
seine "Rede" hielt, liefen mehrere Leute mit Transpis auf das Pult zu
und stoppten davor. Darauf hin rannte die Entourage in die Gruppe mit
den Transpiträgern rein und begann zu treten (gibt Videomaterial dazu).
Während der "Rede" flog noch ein Böller in die Richtung des Rednerpults.
Nach einiger Zeit, die Poggenburg und Entourage in Nebenraum des
Hörsaals verbrachten, verließen sie das Gebäude in Begleitung von
einigen Polizisten.
Johanna: Die
Campus Alternative/AfD konnte heute ihre Veranstaltung nicht
durchführen, da sich das Publikum kurzfristig für ein anderes Programm
entschieden hat.
Das finde ich natürlich ausgesprochen unschade und hoffe, dass sie auch in Zukunft die Veranstaltung nicht nachholen können.
Das
Alternativprogramm ("Alternative zur Alternative") bestand im
Wesentlichen aus dem Alarm des Notausganges, dem Rufen von Parolen, dem
Hochhalten von Schildern und Füßetrampeln.
Seitens der CA/AfD gab es Versuche, das Programm durch Redebeiträge zu stören, aber diese waren zum Glück vollkommen erfolglos.
Zu
einem Zeitpunkt fand im Bühnenbereich ein Handgemenge statt, bei dem
jedoch augenscheinlich niemand verletzt wurde. Wer damit angefangen
hat, war für mich nicht ersichtlich.
Ein
kleinerer Böller wurde ebenfalls geworfen, der aber ebenfalls zum
Glück niemanden verletzt hat. Auch hier ist mir die Urheberschaft
unbekannt.
Die
CA/AfD-Truppe wurde in den angrenzenden Vorbereitungsraum gedrängt und
verfolgte von dort aus das wirklich mitreißende Alternativprogramm.
Besonders erwähnenswert ist neben den mutigen Träger*innen zweier großer
Transparente der spontane Beitrag eines jungen Mannes, der passend zum
Publikumschor die Parole "ES GIBT KEIN RECHT AUF NAZIPROPAGANDA" an die
Tafel schrieb. Das war sehr gelungene Aktionskunst und wurde mit
entsprechendem Beifall bedacht.
Nach
ca. einer halben Stunde kamen 6 Polizist*innen in den Hörsaal,
sprachen eine Weile mit verschiedenen Personen und geleiteten dann die
CA/AfD-Delegation zu einem Seiteneingang hinaus.
Das
Publikum jubelte und verließ einige Minuten später ebenfalls friedlich
den Saal, um im Foyer und Außenbereich gemeinsam den Abend ausklingen
zu lassen.
Jan: Ich
saß während der beiden Veranstaltungen recht weit oben im Hörsaal. Der
Hörsaal war komplett gefüllt und die Teilnehmenden wirkten euphorisch
und interessiert, während sie dem 1. Vortrag von Frau Tiefel folgten.
Anschließend blieben die meisten Teilnehmenden sitzen und warteten
gespannt auf die Campus Alternative.
Als
dann Poggenburg mit seiner Gefolgschaft den Saal betrat, wurde er
lautstark von Buh-rufen und linken Sprechchören empfangen. Als Prof.
Wolf seine Präsentation beginnen wollte, war für mich schon klar, dass
es nicht zu einem wissenschaftlichen Diskurs kommen kann, da er den
anatomischen Unterschied zwischen dem weiblichen und männlichen Gehirn
herausstellen wollte und daraus folgerte, dass Gleichberechtigung nicht
möglich wäre.
Während der Redeversuche der AfD wurden die Sprechenden permanent übertönt von "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda"-Rufen.
Als
Poggenburg seine Rede begann stürmten dazu noch TeilehmerInnen mit
Transparenten friedlich auf die Bühne, worauf hin die Gefolgschaft von
Poggenburg agressiv reagierte und die Transparente und deren TrägerInnen
angriffen.
Der,
im Laufe der Veranstaltung, geworfene Böller war in meinen Augen
unnötig, im Anschluss der Veranstaltung haben sich auch die meisten
Teilnehmenden davon distanziert.
Nach
etwa einer halben Stunde wurden dann die AfD Redner und ihre Anhänger
von der Polizei aus dem Hörsaal geführt, dabei konnte ich nur 4
Polizisten im Hörsaal sehen, welche die AfD nicht schützen mussten.
Mein
Fazit des Abends ist durchaus positiv, friedlich wurde verhindert, der
AfD an einer Universität eine Bühne zu bieten. Vor allem aber gab dieser
Abend Kraft und Motivation im Kampf gegen rassistische Kackscheiße.
Wir möchten unterstreichen, dass Proteste gegen die AfD, die wie keine zweite politische Organisation am äußeren rechten Rand für den Rechtsruck der Gegenwart steht, nicht nur legitim, sondern unbedingt nötig sind. Wir freuen uns über
die gewachsene Entschlossenheit, sich dem propagierten Menschenhass
entschieden in den Weg zu stellen. Die Proteste am 12. Januar haben
viele Menschen in ganz Deutschland inspiriert und das völlig zu Recht.
Wir verwehren uns gegen die kollektive Kriminalisierung hunderter
Menschen aufgrund eines einzelnen Böllerwurfs. Gleichsam kritisieren wir
die tendenziöse Berichterstattung, die AfD-nahe Professoren zum Interview einlädt, die dann dort relativistische Begriffe wie "Meinungsfaschismus" aus dem Satzbausteinkasten der extremen Rechten salonfähig machen, es aber nicht schafft, auch nur eine*n Vertreter*in der Studierendenschaft zu Wort kommen zu lassen.
Ein Diskurs über das Für und Wider bestimmter Protest- und
Ausdrucksformen ist unbedingt zu führen, allerdings ohne sich dabei zu
entsolidarisieren. Vielen Dank an Alle, die am 12. Januar 2017 dabei waren und bei den kommenden Protesten und Aktionen dabei sein werden!
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