Dienstag, 5. März 2013

Rassistischer und fremdenfeindlicher Alltag: Magdeburg-Edition™

[Hinweis: Gebrauch rassistischer und fremdenfeindlicher Wörter und Sprache]

Die Rassismusdebatte war in den vergangenen Wochen in aller Munde. Ausgelöst durch eine sprachlich sensible Anpassung des Kinderbuchklassikers "Die kleine Hexe" durch den Autoren Otfried Preußler, erregte sich der deutsche Michel über alle Maßen, sprach von Zensur, Kulturverfall und der immer wieder bemühten "Political Correctness", Gutmenschentum gar. Es scheint für ihn essentiell zu sein, rassistische Stereotypen und Sprache fortwährend weiter zu verwenden, wie auch zu verteidigen, und er klammert sich an sie, als wären sie das letzte, was ihm verblieben ist.

Die öffentliche Diskussion und die Beschäftigung mit rassistischen Inhalten weicht derzeit wieder einmal der allgemeinen, selbstgerechten, weißen Lethargie. Die Medien vergessen schnell. Einzig die Blogosphäre und dediziert antirassistische Initiativen vergessen nicht, dass Fremdenfeindlichkeit und Alltagsrassismus nicht nach einem kurzen Aufflammen des Interesses des Feuilletons überwunden sind, sondern fortbestehen und sich perpetuierend in verschiedenen Formen manifestieren.


Zum Kaffee...


Untersetzer mit rassistischen Stereotypen.
Im Eiscafé Rialto im Breiten Weg 19 A bekommen Gäste, ordern sie einen Kaffe, einen Untersetzer mit Werbung für »Machwitz Kaffee«, auf dessen Logo drei Mohren dargestellt sind. Dass das Bild rassistisch ist und Stereotype bedient, sollte ersichtlich sein: Die drei dargestellten Personen haben dicke, voluminöse, rote Lippen, krauses Haar und eine möglichst schwarze Haut. Diese wird zur Kontrastierung instrumentalisiert, um die Aufmerksamkeit der möglichen Käufer*innen des Produkts auf die übergroßen, weißen Augen zu lenken, die in freudiger Erwartung gebannt auf das Produkt gerichtet sind. Auch die Darstellung der Oberbekleidung, wobei man zusätzlich auch die Rüschen am unteren Ende des Logos als eine Art Rock interpretieren kann, folgt einem kolonialem Verständnis, indem die Personen als Angehörige eines »Naturvolkes«, keinenfalls aber als westlich, dargestellt werden und so ein Gefühl von Exotismus und Extravaganz transportiert werden soll.

Das Logo existiert seit 1919 und wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch den Hannoveraner Kaufmann Walter Koch, seines Zeichens Abgeordneter der Deutschen Partei von 1952 bis 1956, zu einer Marke entwickelt, die wir so nun noch heute präsentiert bekommen. Dabei macht sich nicht nur »Machwitz Kaffee« der Bedienung und Reproduktion rassistischer Stereotype schuldig, sondern in diesem konkreten Fall auch das genannte Eiscafé, für das es ein Leichtes wäre, auf die Herausgabe des Untersetzers freiwillig zu verzichten. Die Darstellung ist rassistisch. Die Verbreitung zu unterstützen Alltagsrassismus. Und wir müssen lernen, das auch so zu bezeichnen.



...gibt's ne Wurst!

Cappy

Nach Auffliegen des »Nationalsozialistischen Untergrunds« offenbarte sich, dass die Behörden von Beginn der Terrorserie einen fremdenfeindlichen Hintergrund der neun Morde an türkischen und griechischen Kleinunternehmern vehement ausschlossen. Die sprachliche Fassung der Mordserie gipfelte in der Bezeichnung »Dönermorde«. Ein Wort, das zu Recht 2011 zum Unwort des Jahres gewählt wurde, da es den latenten Rassismus innerhalb staatlicher Institutionen offenlegt und die Entmenschlichung von Menschen mit Migrationshintergrund dokumentiert.

Um so mulmiger wird uns in diesem Zusammenhang beim Anblick der Arbeitsbekleidung der Angstellten des »Curry 54« in der Otto-von-Guericke-Straße 54. Im nach unten geöffneten Halbkreis prangt dort über einer Krone das Wort »Dönerjäger« auf deren Brust oder Cappy. In Fraktur, versteht sich.
Seit kurzem fährt nun auch ein als Feuerwehrauto hergerichteter PKW durch Magdeburg, der auf einer montierten Leiter ebenfalls für sich als »Dönerjäger« wirbt.


Polohemd
Abgesehen davon, dass diese Werbung inhaltlich und thematisch sehr nahe bei der von Neonazis beliebten Parole »Bratwurst statt Döner« zu verorten ist, scheint auch auf Nachfrage kein Wille da zu sein einzulenken, und die bestenfalls missverständliche Parole zu entschärfen [1]. Stattdessen wird wie immergleich beschwichtigt und relativiert - man meine es nicht so, es wäre witzig gemeint, etc. pp..


Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen!


Dass versucht und sich bemüht wird, rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen im Alltag zu negieren, auszublenden oder kleinzureden, gehört leider zu unserem Alltag, wie eben auch die explizite Darstellung derer. Allerdings haben wir die Wahl uns kritisch und selbstreflexiv mit den Verhältnissen, in denen wir leben, auseinanderzusetzen und uns der eigenen Privilegien bewusst zu werden. Alltagsrassismus ist nicht hinnehmbar und gehört beendet. Das hat nichts mit »Political Correctness« oder Zensur zu tun. Das hat damit zu tun, ob man für sich entscheidet, sich weiter an den menschenverachtenden Praktiken zu beteiligen oder nicht.

[1] Privater Mail-Kontakt

3 Kommentare:

  1. Vollkommen plemplem...der Kaffeeuntersetzter ist nicht rassistisch. Dazu fehlt ihm nämlich die ABWERTENDE Komponente der dargestellten Personengruppe.

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    1. stimmt genau. Ich hatte dazu einen Beitrag gepostet, der diese küstliche Feinbildsuche entlarvt, der ist aber nicht veröffentlicht worden.

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  2. Auch mit kritischstem Blick kann ich in dem Logo mit den drei schicken schwarzen Ladies keinen Rassismus erkennen. Das Bild mag einen humorigen, unterhaltenden Tuoch haben, aber wie bei Pitti keineswegs einen abwertenden. Jede Zeichenfigur hat etwas komödiantisches, einen Hauch von Karrakatur. Ist Obelix etwa franzosenfeindlich, weil er extrem fett und nicht besonders intelligent ist? Oder, als noch treffenderes Beispiel: der kleine schwarze Jungen im Staatsfernsehen Eurer Vorgängerpartei - Pittiplatsch. Trotz aufgerissen übergroßen weißen Augen bei immer fast unbekleidetem maximal dunkelbraunem Körper käme niemand auf die Idee, die Figur rassistisch zu finden. So etwas findet nur, wer gezielt nach Feindbildern sucht. Peinlich füßr eine offizielle Seite einer Partei, deren Schwerpunkt sein sollte, soziale Probleme zu lösen und nicht künstlich zu schaffen. http://www.sandmaennchen.de/seit_1959/wegbegleiter/beitraege/pittiplatsch/pittiplatsch.html

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