Mittwoch, 11. Juli 2012

20 Jahre nach den Pogromen - Das Problem heißt Rassismus

Wir rufen zu Aktionen in Gedenken an die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen und der Thematisierung von Rassismus und menschenverachtender Asylpolitik auf.

Am 25.8.2012 findet in Rostock-Lichtenhagen eine bundesweite Demonstration mit antirassistischem Konzert im Anschluss statt. Wir rufen zur Beteiligung und zu dezentralen Aktionen in diesem Sommer auf! Weiter Infos unter: www.lichtenhagen.blogsport.de und www.lichtenhagen.net

Die erste Mobi-Veranstaltung findet am 8. August in Magdeburg statt. Dazu folgt demnächst ein Aufruf! Eine gemeinsame Anreise wird organisiert, möglicherweise mit einem Bus. Schreibt uns an: jugend@dielinke-lsa.de




Den rassistischen Konsens brechen! - 20 Jahre nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen
Vor 20 Jahren schaute die Welt fassungslos nach Rostock. Im Stadtteil Lichtenhagen gab es tagelange Angriffe auf die Zentrale Aufnahmestelle für Asylsuchende (Zast) und ein benachbartes Wohnhaus (Sonnenblumenhaus), die von einem Mob aus mehreren hundert RassistIinnen angeführt und tausenden AnwohnerInnen bejubelt wurden. Die Angriffe endeten in einem Brandanschlag auf das Sonnenblumenhaus, in dem sich etwa 100 Menschen befanden, die sich noch in letzter Sekunde auf das Dach eines angrenzenden Gebäudes retten konnten. Das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen war der Höhepunkt einer Kette von rassistischen Übergriffen in Deutschland Anfang der Neunziger Jahre. Im September 1991 wurden Wohnheime von Flüchtlingen in Hoyerswerda angegriffen, nach dem Pogrom in Lichtenhagen folgten Brandanschläge auf Häuser in Mölln und Solingen, in denen vor allem türkische Familien wohnten und bei denen insgesamt acht Menschen getötet wurden. Die herrschende Politik und die Boulevardpresse heizten die alltagsrassistische Stimmung in der Bevölkerung auf und inszenierten eine Bedrohung durch eine "Überflutung Deutschlands" durch "Schein-" und "Wirtschaftsasylanten". Gewaltbereite Minderheiten verstanden sich als VertreterInnen einer empörten aber schweigenden Masse. Unter Missbrauch dieser Stimmung und den Vorkommnissen in der Republik einigten sich die Parteispitzen von SPD, CDU und FDP auf eine Änderung des Asylgrundrechtes. Mit der Änderung des Grundgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes trat der Asylkompromiss 1993 in Kraft, welcher das individuelle Grundrecht auf Asyl abschaffte und die Möglichkeiten, sich erfolgreich auf das Asylrecht zu berufen, enorm einschränkte.

Abschaffung des Grundrechts auf Asyl in Deutschland
Im Zuge des beschlossenen Asylkompromisses, wurde das Grundrecht auf Asyl erheblich eingeschränkt und die sogennante "Drittstaatenregelung" eingeführt. Wenn Flüchtlinge über einen sogenannten sicheren Drittstaat einreisen, können die GrenzschutzbeamtInnen sie sofort, ohne jegliches Verfahren, zurückweisen. Deutschland ist lückenlos von sogenannten „sicheren Drittstaaten" umgeben, sodass es auf dem Landweg keine Möglichkeit gibt, in die BRD einzureisen und Asyl zu beantragen. Seit 2003 gibt es zusätzlich zu der Drittstaatenregelung die Dublin II Verordnung, die es ermöglicht, Flüchtlinge in das EU-Land abzuschieben, in dem sie nach ihrer Flucht zuerst den Boden betreten haben. So bleibt die BRD für Flüchtlinge auf dem Landweg weiterhin unerreichbar. Für die Einreise per Flugzeug gilt die sogenannte „Flughafenregelung“. Bei der Ankunft am Flughafen werden die Flüchtlinge sofort im Transitbereich abgefangen und dort bis zur Beendigung eines verkürzten Asylverfahrens festgehalten. Innerhalb von drei Wochen wird in einer Eilentscheidung über das Schicksal der Flüchtlinge entschieden. Diese rechtlich fragwürdigen Verfahrensformen enden für die Flüchtlinge meist in einer pauschalen Ablehnung des Asylantrages und somit der Abschiebung in einen angeblich „sicheren Drittstaat“ oder in das Herkunftsland. Die Flüchtlinge bekommen mit dieser Vorgehensweise kein richtiges Asylverfahren, so dass es häufig zu Massenabschiebungen kommt.

FRONTEX - Europa zieht nach
Die rassistische Asylpolitik Deutschlands zieht seit 2004 auch europaweite Kreise, denn die EU versucht über ihre Grenzschutzagentur Frontex mit allen Mitteln die Einreise von Flüchlingen zu verhindern. Die EU hat so ein menschenfeindliches Kontrollinstrument geschaffen, welches eine bedrohliche Schutzlosigkeit für Flüchtlinge auf hoher See und an den europäischen Außengrenzen bedeutet. Im Rahmen von Frontex-Seeoperationen sollen Flüchtlingsboote möglichst effizient verfolgt und zurückgedrängt werden und verstärken damit die ohnehin lebensgefährliche Situation der Flüchtlinge auf hoher See. Die EU-Grenzschutzagentur agiert in einer rechtlichen Grauzone und sorgt europaweit für erhebliche Kritik. Auch schweigt Frontex, wenn es darum geht, genauere Informationen an die Öffentlichkeit zu geben, wie genau das "Umleiten" von Flüchtlingsbooten abläuft und was mit den Menschen geschieht. Seit 1993 sind über 16.000 Menschen an den Grenzen Europas gestorben.

Kein Mensch ist illegal!
Die EU erweitert und verstärkt die nationalen Kontrollsysteme und feilt weiter an der Abschottung nach außen und dem Ausbau der "Festung Europa". Flüchtlingen ist es kaum noch möglich auf legalem Weg hierher zu kommen oder einzureisen, so dass die Überquerung der Staatsgrenzen nur noch auf "illegalem" Wege stattfindet. So werden immer mehr Menschen in die "Illegalität" gezwungen, was Schutz- und Rechtslosigkeit gegenüber den Behörden und allen anderen Institutionen bedeutet. Heute ist es schwerer denn je, Asyl in Deutschland zu bekommen. Von 1991 bis 2011 sank die Quote der bewilligten Asylanträge von 6,9% auf 1,5% und das, obwohl die Bundesrepublik und andere westliche Industrieländer weiterhin Bedingungen hervorrufen, die zu Flucht führen. Kriege werden geführt, Handelsbedingungen und Privatisierung tragen zum Elend in vielen Ländern bei. Die menschenfeindlichen Regelungen zur Gewährung von Asyl akzeptieren lediglich poltische Verfolgung als Fluchtmotiv, und selbst diese muss nachgewiesen werden, was den meisten Verfolgten nicht möglich ist. Hunger, Krankheit, Armut, Epidemien oder Naturkatastrophen werden dagegen nicht als Motive anerkannt und die Betroffenen werden in ihr Herkunftsland abgeschoben. Diese Gesetzgebung folgt der rassistischen Vorstellung dass Menschen nur dort leben sollen wo ihre Vorfahren gelebt haben und ist in der Konsequenz ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!

Rassistischer Normalzustand in der BRD
Seit dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen haben sich die rassistischen Einstellungen und Vorurteile in weiten Teilen der Bevölkerung gehalten. Und dort wo AlltagsrassistInnen tatsächlichen oder vermeintlichen AusländerInnen das Leben durch Ausgrenzung, Benachteiligung, Beschimpfungen und Beleidigungen schwer machen, greifen auch Nazis immer wieder zu Gewalt und Mord gegen Menschen, die in ihrem rassistischen Weltbild keinen Platz finden.

Gleichzeitig ist die Situation von Asylsuchenden, die es nach Deutschland schaffen, auch von staatlichem Rassismus und gesetzlicher Diskriminierung geprägt. Es vergehen meist Monate bis Jahre in Ungewissheit über einen Aufenthaltsstatus, da Asylsuchende mit Kettenduldungen hingehalten werden, die ihnen jegliche Integration verwehren. Während der Bearbeitung der Asylanträge sind Asylsuchende isoliert von der Bevölkerung, in Lagern oder Wohnheimen auf engstem Raum, untergebracht. Während des Verfahrens dürfen sie weder arbeiten noch eine Ausbildung machen und erhalten Sozialleistungen, die 40% unter dem Hartz IV-Satz liegen, meist in Form von Wertmarken oder Sachleistungen. Hinzu kommt die gesetzliche Regelung der Residenzpflicht, die Asylsuchenden verbietet, ihren zugewiesenen Landkreis zu verlassen. Konkret bedeutet das einen massiven Einschnitt in die Selbstbestimmungsrechte der Menschen, da sie ohne eine Erlaubnis weder Freunde besuchen noch einen Arzt außerhalb ihres Landkreises aufsuchen können. Unter Strafandrohung sind sie gezwungen, all ihr Tun offenzulegen. Diese rassistischen und menschenunwürdigen Regelungen gehören abgeschafft.

Refugees Welcome! Bewegungsfreiheit ist Menschenrecht!

Wir fordern:
  • ein uneingeschränktes Grundrecht auf Asyl und die Überarbeitung der Dublin-Verordnung
  • Abschaffung der Residenzpflicht in allen Landkreisen
  • Ersetzung von Sachleistungen, Essenspaketen oder Lebensmittelmarken durch eine menschenwürdige finanzielle Unterstützung
  • Schließung der Heime und dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden in Wohnungen
  • Abschaffung aller Reglementierungen und Einschränkungen (Arbeitsverbot etc.)
    das Ende der Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft: gegen nationalistische und rassistische Gesetze
  • die Abschaffung von Grenzen und Nationen und das uneingeschränkte Aufenthaltsrecht für alle Menschen überal

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