Mittwoch, 13. Juni 2012

Militarisierung der Forschung

Eine studentische Zeitung an der Hochschule Magdeburg namens "ASSI" hatte jüngst einen sehr schönen und ausführlichen Beitrag über unsere Veranstaltung "Militarisierung von Bildung" am 19. Januar in ihrer aktuellen Ausgabe. Dafür möchten wir uns bedanken und bieten den Text hier auf dem Blog an.
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(MK) Am Donnerstag, den 19. Januar hatte die Hochschulgruppe „['solid] SDS“ zur Info- und Diskussionsveranstaltung an der Hochschule Magdeburg eingeladen, um über die „Militarisierung von Bildung“ zu reden. Als Referentin konnte die Friedens- und Konfliktforscherin Mechthild Exo gewonnen werden, die selbst an der Otto-von-Guericke Universität studierte. In den Fokus rückte das Thema, als man auf einem Flyer der hochschuleigenen Bibliothek auf der Rückseite Werbung für die Bundeswehr fand, so die Organisatoren. Daran anknüpfend begann Frau Exo ihren Vortag damit, über die Rüstungsforschung an deutschen Hochschulen aufzuklären. Im Jahr 2008 gab die Bundesregierung satte 1,1 Milliarden Euro für Militärforschung an Hochschulen aus. Dabei wird ein breites Spektrum abgedeckt, von Materialforschung, der Psychologie über die Erforschung von Ermüdungserscheinungen bei Flügen bis zur Lebensmitteltechnik. Fast schon pervers ist es, dass selbst Ethnologen für die Ziele des Militärs eingespannt werden. Wenn der Widerstand nicht mit Waffengewalt allein gebrochen werden kann, dann schickt man zivile, scheinbar unparteiische Personen, wie Kulturwissenschaftler, in die jeweilige Region, die sich dann mit den Menschen und der Kultur vertraut machen, um im Anschluss gemeinsam mit Militärs eine neue Strategie zur Brechung des Widerstands der Bevölkerung zu erarbeiten. Im schlimmsten Fall werden auch Ziele für nächtliche Hausdurchsuchungen oder gar eine gezielte Tötung mittels einem Drohnenangriff ausgekundschaftet.
Krieg und Migrantenbekämpfung

In letzter Zeit wird die NATO immer mehr zur Problemlösung Nr. 1, wenn es um globale Probleme geht. So werden notwendige Ressourcen durch Krieg erobert und sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ mit Hilfe des Militärs vom Leib gehalten. Die NATO ist spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges kein Verteidigungsbündnis mehr, sondern dient allein der Durchsetzung westlicher Interessen in der Welt. Auch die Bundeswehr scheint sich ihrer Rolle in der NATO bewusst zu sein. So heißt es im Infomaterial für eine PR-Kampagne, dass der zukünftige Wettlauf um Ressourcen in der Welt mit zunehmender Härte und Gewalt geführt werden wird. Folgerichtig ist die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland nicht als Schritt der Abrüstung zu sehen, sondern dient allein dazu, die Bundeswehr noch effizienter und einsatzfähiger zu machen, damit sie mehrere Auslandseinsätze parallel bewältigen kann.
Am Beispiel von Haiti lässt sich das Vorgehen gegen Flüchtlinge besonders gut beobachten. Nachdem ein Erdbeben im Januar 2010 fast das gesamte Land verwüstete und 300.000 Menschen ums Leben kamen, schickten die USA zuerst das Militär an die Küste des Landes, um die zu erwartenden Flüchtlingsströme abzufangen. Die Aktion gipfelte darin, dass selbst Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz nicht auf dem Flughafen von Port-au-Prince, der Hauptstadt Haitis, landen durften bis die USA die Freigabe erteilten. Es geht nicht um Ursachenforschung und Hilfe, sondern um die Verhinderung unerwünschter Folgen, zum Beispiel der Migration. Das die Europäische Union dem in nichts nachsteht, zeigt sich an der militärische Absicherung der Außengrenzen. So unterhält sich die EU seit 2004 mit FRONTEX eine eigene militärische Truppe, um ihre Länder vor unerwünschten Migranten zu schützen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren die Vorgehensweise von FRONTEX scharf. So werden beispielsweise kleine, überfüllte Fischerboote auf offener See zur Umkehr gezwungen, selbst wenn schon Leute an Bord umgekommen sind.

Forschung an Universitäten und Hochschulen

Damit das Militär seine Aufgaben in Zukunft noch effektiver erfüllen kann, zum Beispiel Kriege mit Hilfe von Drohnen zu führen, ist es auf die Forschung, somit auf die Universitäten und Hochschulen angewiesen. Als Konsequenz aus der Rüstungsforschung während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurde in manchen Universitäten eine sogenannte Zivilklausel eingeführt, die besagt, dass Wissenschaft und Forschung ausschließlich zivilen Zwecken dienen dürfen. Doch zeichnet sich ein erbitterter Kampf um eben diese Zivilklausel ab. Während die Forderung nach dieser auch in Studentenproteste integriert werden und sich zunehmend Widerstand gegen militärische Forschung durch Studenten und Gewerkschaften abzeichnet, drängen Rüstungskonzerne auf ihre Abschaffung, um zum Beispiel eine Professur stiften zu können. So hat etwa Wolfgang Ischinger eine Honorarprofessur an der Universität Tübingen, obwohl er zeitgleich Vorsitzender der NATO-Sicherheitskonferenz ist, die jedes Jahr in München stattfindet. Dort treffen sich die Eliten aus Politik, Militär und Wirtschaft aus aller Welt, um über sicherheitspolitische Fragen zu diskutieren. An Hochschulen mit Zivilklausel wird durch eine krude Argumentationsweise versucht, diese einfach zu umgehen. Man behauptet einfach, dass das Militär für den Frieden da sei und somit kein Konflikt zwischen Zivilklausel und Militärforschung besteht.
Oder es werden eigene Studiengänge geschaffen. An der Universität Potsdam existiert der Masterstudiengang „Military Studies“. Dieser wird in Kooperation mit der Bundeswehr geführt und dort werden zum Beispiel Offiziere ausgebildet. So heißt es in der offiziellen Beschreibung des Studiengangs :

„Das öffentliche Interesse an der Erforschung der Funktionsfähigkeit des Militärs, den Mechanismen militärischer Organisationsformen, dem wechselseitigen Verhältnis der bewaffneten Macht zu Staat, Gesellschaft, Ökonomie und Kultur sowie den Enstehungsbedingungen organisierter Gewalt ist stark gestiegen.“

Die Einführung konnte zwar durch Proteste von Studenten be- aber nicht verhindert werden. In anderen Städten waren die Studenten hingegen erfolgreicher. So wurde an der Uni Köln nach einer Abstimmung unter den Studenten die Zivilklausel eingeführt. Frau Exo wies darauf hin, dass Protest nie nur aus Sammeln von Unterschriften bestehen sollte, sondern möglichst mit direkten Aktionen verbunden werden müsste. Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen führt neben einer höheren Anwendungsorientierung zu einem Zwang auf Drittmittel aus der Wirtschaft zurückgreifen zu müssen. Das dafür eine Gegenleistung gefordert wird, ist klar. So sitzen in Gremien für zivile Forschungsmittel Rüstungskonzerne wie EADS oder Siemens. Zeitgleich wird die Dualforschung vorangetrieben, das heißt es wird parallel im zivilen und im militärischen Bereich geforscht und so die notwendige Trennung außer Kraft gesetzt. Es besteht die Gefahr, dass militarisiertes Denken Eingang in die Gesellschaft findet und Berührungsängste mit dem Militär in allen Bereichen des öffentlichen Lebens abgebaut werden. Die Bundeswehr ist ja nicht nur an Hochschulen, sondern auch in Schulen unterwegs. Wenn dort Jugendoffiziere den Schülern etwas von ihrem ach so tollen Beruf vorschwärmen, werden zumeist keine Gegenstimmen aus der Friedensbewegung eingeladen. Es existieren sogar Kooperationsvereinbarungen zwischen Bundesländern und Bundeswehr. Aktuell scheiterten die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Partei Die Linke und die Grünen mit einem gemeinsamen Antrag an die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, die Kooperationsvereinbarung zwischen Land und Bundeswehr aufzuheben. Der Antrag wurde durch Stimmen von CDU, SPD und NPD abgelehnt. Acht Bundesländer verwehren sich zur Zeit einer Kooperationsvereinbarung. Auf dem Arbeitsmarkt versucht sich die Bundeswehr als normaler Arbeitgeber zu präsentieren, wobei vor allem mit der guten Vergütung gelockt wird. Das man dabei aber sein Leben aufs Spiel setzt und andere Leben vernichten muss, wird verschwiegen.
Dies steht im fundamentalen Gegensatz zu den Erfahrungen und Lektionen der Weltkriege des vergangen Jahrhunderts.

Westliche Ideologie

Zum Abschluss ging Frau Exo auf die Definitionsmacht der westlichen Staaten ein. Die dort existierenden Demokratien werden als Nonplusultra angesehen, Diskussionen über mögliche Verbesserungen und Weiterentwicklungen finden nicht statt. Ebenso werden Kapitalismus und Marktwirtschaft als alternativlos bezeichnet. Auf dieser Grundlage werden Staaten entweder als „good states“ oder „failed states“ kategorisiert. Daraufhin werden nach Aussage von Frau Exo ca. zwei Drittel der Welt als gescheiterte Staaten bezeichnet und somit die Berechtigung für eine militärische Intervention geschaffen.
Forschung und Wissenschaft standen in der Geschichte immer mit Kolonialismus und Ausbeutung in Zusammenhang. Viele Erkenntnisse, vor allem im medizinischen Bereich, wurden in Staaten der sogenannten Dritten Welt entdeckt. Das ermittelte Wissen wurde aber nicht zurückgegeben an die Staaten, sondern durch Patente für sich geschützt und man erwirtschaftet Profite damit. Das gesammelte Wissen wird nicht zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen vor Ort genutzt, sondern dient allein der eigenen Bevölkerung. Außerdem wurde noch auf ein Paradoxon der westlichen Wissenschaft hingewiesen. Einerseits exportiert man seine Philosophie in andere Länder und will, dass diese die eigenen Ansichten übernehmen, andererseits nimmt man von dort keinerlei Impulse auf.
Dekoloniale Ansätze dagegen werden eher von feministischen und indigenen Gruppen vertreten.
Allgemein nimmt die linke, herrschaftskritische und feministische Gegenwissenschaft/ Forschung stetig ab, kritische Meinungen werden aus dem Lehrmaterial zurückgedrängt und Mittel immer weiter gekürzt. So wird die ehemals auf Seite der Friedensbewegung zu findende Friedens- und Konfliktforschung zusehends zur Interventionsforschung umgewandelt.
Im Schlusswort der Referentin gab es noch einen Hinweis für alle anwesenden Studenten:
Auch bei den eigenen Arbeiten sollte man die Themenwahl sehr gut überdenken, um nicht etwa der Rüstungsindustrie durch seine Forschung zu zuarbeiten.
Zu einer Diskussion kam es dann nicht mehr, gelernt hat man trotzdem einiges. Schade, dass nur ca. 30 Leute anwesend waren...

Für weitere Informationen:

-        www.zivilklausel.org (Dort findet ihr auch die Erklärung „Hochschule für den Frieden“)
-        www.dfg-vk.de (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner)
-        www.ippnw.de (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)

1 Kommentar:

  1. "Zu einer Diskussion kam es dann nicht mehr"... Das überrascht nun gar nicht. Wie soll man auch mit jemanden diskutieren, der andere Meinungen von vorneherein ausschließt.
    Stell dir vor die "Friedensbewegung" lädt ein und keiner geht hin...

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