Eine studentische Zeitung an der Hochschule Magdeburg namens "ASSI" hatte jüngst einen sehr schönen und ausführlichen Beitrag über unsere Veranstaltung "Militarisierung von Bildung" am 19. Januar in ihrer aktuellen Ausgabe. Dafür möchten wir uns bedanken und bieten den Text hier auf dem Blog an.
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(MK) Am Donnerstag,
den 19. Januar hatte die Hochschulgruppe
„['solid] SDS“ zur Info- und Diskussionsveranstaltung an der Hochschule
Magdeburg eingeladen, um über die
„Militarisierung von Bildung“ zu reden. Als Referentin konnte die
Friedens- und Konfliktforscherin Mechthild Exo gewonnen werden, die
selbst an der Otto-von-Guericke Universität studierte.
In den Fokus rückte das Thema, als man auf einem Flyer der hochschuleigenen
Bibliothek auf der Rückseite Werbung für die
Bundeswehr fand, so die Organisatoren. Daran
anknüpfend begann Frau Exo ihren Vortag damit, über die
Rüstungsforschung an deutschen Hochschulen aufzuklären. Im Jahr 2008 gab die
Bundesregierung satte 1,1 Milliarden Euro für Militärforschung an Hochschulen
aus. Dabei wird ein breites Spektrum abgedeckt, von Materialforschung, der
Psychologie über die Erforschung von
Ermüdungserscheinungen bei Flügen bis zur Lebensmitteltechnik. Fast schon
pervers ist es, dass selbst Ethnologen für die
Ziele des Militärs eingespannt werden. Wenn der Widerstand nicht mit
Waffengewalt allein gebrochen werden kann, dann schickt man zivile, scheinbar
unparteiische Personen, wie Kulturwissenschaftler, in die
jeweilige Region, die sich dann mit den
Menschen und der Kultur vertraut machen, um im Anschluss gemeinsam mit Militärs
eine neue Strategie zur Brechung des Widerstands der Bevölkerung zu erarbeiten.
Im schlimmsten Fall werden auch Ziele für nächtliche Hausdurchsuchungen oder
gar eine gezielte Tötung mittels einem Drohnenangriff ausgekundschaftet.
Krieg und Migrantenbekämpfung
In letzter
Zeit wird die NATO immer mehr zur
Problemlösung Nr. 1, wenn es um globale Probleme geht. So werden notwendige
Ressourcen durch Krieg erobert und sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ mit
Hilfe des Militärs vom Leib gehalten. Die NATO ist spätestens seit dem Ende des
Kalten Krieges kein Verteidigungsbündnis mehr, sondern dient
allein der Durchsetzung westlicher Interessen in der Welt. Auch die
Bundeswehr scheint sich ihrer Rolle in der NATO bewusst zu sein. So heißt es im
Infomaterial für eine PR-Kampagne, dass der zukünftige Wettlauf um Ressourcen
in der Welt mit zunehmender Härte und Gewalt geführt werden wird. Folgerichtig
ist die Abschaffung der allgemeinen
Wehrpflicht in Deutschland nicht als Schritt der Abrüstung zu sehen, sondern dient
allein dazu, die Bundeswehr noch effizienter
und einsatzfähiger zu machen, damit sie mehrere Auslandseinsätze parallel
bewältigen kann.
Am Beispiel
von Haiti lässt sich das Vorgehen gegen Flüchtlinge besonders gut beobachten.
Nachdem ein Erdbeben im Januar 2010 fast das gesamte Land verwüstete und
300.000 Menschen ums Leben kamen, schickten die
USA zuerst das Militär an die Küste des
Landes, um die zu erwartenden
Flüchtlingsströme abzufangen. Die Aktion gipfelte darin, dass selbst
Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz nicht auf dem Flughafen von
Port-au-Prince, der Hauptstadt Haitis, landen durften bis die
USA die Freigabe erteilten. Es geht nicht um
Ursachenforschung und Hilfe, sondern um die
Verhinderung unerwünschter Folgen, zum Beispiel der Migration. Das die
Europäische Union dem in nichts nachsteht, zeigt sich an der militärische
Absicherung der Außengrenzen. So unterhält sich die
EU seit 2004 mit FRONTEX eine eigene militärische Truppe, um ihre Länder vor
unerwünschten Migranten zu schützen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty
International kritisieren die Vorgehensweise
von FRONTEX scharf. So werden beispielsweise kleine, überfüllte Fischerboote
auf offener See zur Umkehr gezwungen, selbst wenn schon Leute an Bord
umgekommen sind.
Forschung an Universitäten und
Hochschulen
Damit das
Militär seine Aufgaben in Zukunft noch effektiver erfüllen kann, zum Beispiel
Kriege mit Hilfe von Drohnen zu führen, ist es auf die
Forschung, somit auf die Universitäten und
Hochschulen angewiesen. Als Konsequenz aus der Rüstungsforschung während der
Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurde in manchen Universitäten eine
sogenannte Zivilklausel eingeführt, die
besagt, dass Wissenschaft und Forschung ausschließlich zivilen Zwecken dienen
dürfen. Doch zeichnet sich ein erbitterter Kampf um eben diese
Zivilklausel ab. Während die Forderung nach dieser
auch in Studentenproteste integriert werden und sich zunehmend Widerstand gegen
militärische Forschung durch Studenten und Gewerkschaften abzeichnet, drängen
Rüstungskonzerne auf ihre Abschaffung, um zum Beispiel eine Professur stiften
zu können. So hat etwa Wolfgang Ischinger eine Honorarprofessur an der
Universität Tübingen, obwohl er zeitgleich Vorsitzender der NATO-Sicherheitskonferenz
ist, die jedes Jahr in München stattfindet.
Dort treffen sich die Eliten aus Politik,
Militär und Wirtschaft aus aller Welt, um über sicherheitspolitische Fragen zu
diskutieren. An Hochschulen mit Zivilklausel wird durch eine krude Argumentationsweise
versucht, diese einfach zu umgehen. Man
behauptet einfach, dass das Militär für den Frieden da sei und somit kein
Konflikt zwischen Zivilklausel und Militärforschung besteht.
Oder es werden
eigene Studiengänge geschaffen. An der
Universität Potsdam existiert der Masterstudiengang
„Military Studies“. Dieser wird in Kooperation
mit der Bundeswehr geführt und dort werden zum Beispiel Offiziere ausgebildet.
So heißt es in der offiziellen Beschreibung des Studiengangs
:
„Das
öffentliche Interesse an der Erforschung der Funktionsfähigkeit des Militärs,
den Mechanismen militärischer Organisationsformen, dem wechselseitigen
Verhältnis der bewaffneten Macht zu Staat, Gesellschaft, Ökonomie und Kultur
sowie den Enstehungsbedingungen organisierter Gewalt ist stark gestiegen.“
Die Einführung
konnte zwar durch Proteste von Studenten be- aber nicht verhindert werden. In
anderen Städten waren die Studenten hingegen
erfolgreicher. So wurde an der Uni Köln nach einer Abstimmung unter den
Studenten die Zivilklausel eingeführt. Frau
Exo wies darauf hin, dass Protest nie nur aus Sammeln von Unterschriften
bestehen sollte, sondern möglichst mit direkten Aktionen verbunden werden
müsste. Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen führt neben einer
höheren Anwendungsorientierung zu einem Zwang auf Drittmittel aus der
Wirtschaft zurückgreifen zu müssen. Das dafür eine Gegenleistung gefordert
wird, ist klar. So sitzen in Gremien für zivile Forschungsmittel
Rüstungskonzerne wie EADS oder Siemens. Zeitgleich wird die
Dualforschung vorangetrieben, das heißt es wird parallel im zivilen und im
militärischen Bereich geforscht und so die
notwendige Trennung außer Kraft gesetzt. Es besteht die
Gefahr, dass militarisiertes Denken Eingang in die
Gesellschaft findet und Berührungsängste mit dem Militär in allen Bereichen des
öffentlichen Lebens abgebaut werden. Die Bundeswehr ist ja nicht nur an
Hochschulen, sondern auch in Schulen unterwegs. Wenn dort Jugendoffiziere den
Schülern etwas von ihrem ach so tollen Beruf vorschwärmen, werden zumeist keine
Gegenstimmen aus der Friedensbewegung eingeladen. Es existieren sogar
Kooperationsvereinbarungen zwischen Bundesländern und Bundeswehr. Aktuell
scheiterten die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW), die Partei Die Linke und die
Grünen mit einem gemeinsamen Antrag an die
Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, die
Kooperationsvereinbarung zwischen Land und Bundeswehr aufzuheben. Der Antrag
wurde durch Stimmen von CDU, SPD und NPD abgelehnt. Acht Bundesländer verwehren
sich zur Zeit einer Kooperationsvereinbarung. Auf dem Arbeitsmarkt versucht
sich die Bundeswehr als normaler Arbeitgeber
zu präsentieren, wobei vor allem mit der guten Vergütung gelockt wird. Das man
dabei aber sein Leben aufs Spiel setzt und andere Leben vernichten muss, wird
verschwiegen.
Dies steht im
fundamentalen Gegensatz zu den Erfahrungen und Lektionen der Weltkriege des
vergangen Jahrhunderts.
Westliche Ideologie
Zum Abschluss
ging Frau Exo auf die Definitionsmacht der
westlichen Staaten ein. Die dort existierenden Demokratien werden als
Nonplusultra angesehen, Diskussionen über mögliche Verbesserungen und
Weiterentwicklungen finden nicht statt. Ebenso werden Kapitalismus und
Marktwirtschaft als alternativlos bezeichnet. Auf dieser
Grundlage werden Staaten entweder als „good states“ oder „failed states“
kategorisiert. Daraufhin werden nach Aussage von Frau Exo ca. zwei Drittel der
Welt als gescheiterte Staaten bezeichnet und somit die
Berechtigung für eine militärische Intervention geschaffen.
Forschung und
Wissenschaft standen in der Geschichte immer mit Kolonialismus und Ausbeutung
in Zusammenhang. Viele Erkenntnisse, vor allem im medizinischen Bereich, wurden
in Staaten der sogenannten Dritten Welt entdeckt. Das ermittelte Wissen wurde
aber nicht zurückgegeben an die Staaten,
sondern durch Patente für sich geschützt und man erwirtschaftet Profite damit.
Das gesammelte Wissen wird nicht zur Verbesserung der Lebensbedingungen der
Menschen vor Ort genutzt, sondern dient allein
der eigenen Bevölkerung. Außerdem wurde noch auf ein Paradoxon der westlichen
Wissenschaft hingewiesen. Einerseits exportiert man seine Philosophie in andere
Länder und will, dass diese die
eigenen Ansichten übernehmen, andererseits nimmt man von dort keinerlei Impulse
auf.
Dekoloniale
Ansätze dagegen werden eher von feministischen und indigenen Gruppen vertreten.
Allgemein
nimmt die linke, herrschaftskritische und
feministische Gegenwissenschaft/ Forschung stetig ab, kritische Meinungen
werden aus dem Lehrmaterial zurückgedrängt und Mittel immer weiter gekürzt. So
wird die ehemals auf Seite der
Friedensbewegung zu findende Friedens- und Konfliktforschung zusehends zur
Interventionsforschung umgewandelt.
Im Schlusswort
der Referentin gab es noch einen Hinweis für alle anwesenden Studenten:
Auch bei den
eigenen Arbeiten sollte man die Themenwahl
sehr gut überdenken, um nicht etwa der Rüstungsindustrie durch seine Forschung
zu zuarbeiten.
Zu einer
Diskussion kam es dann nicht mehr, gelernt hat man trotzdem einiges. Schade,
dass nur ca. 30 Leute anwesend waren...
Für weitere
Informationen:
-
www.zivilklausel.org
(Dort findet ihr auch die Erklärung
„Hochschule für den Frieden“)
-
www.dfg-vk.de
(Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner)
-
www.ippnw.de
(Internationale Ärzte für die Verhütung des
Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)
"Zu einer Diskussion kam es dann nicht mehr"... Das überrascht nun gar nicht. Wie soll man auch mit jemanden diskutieren, der andere Meinungen von vorneherein ausschließt.
AntwortenLöschenStell dir vor die "Friedensbewegung" lädt ein und keiner geht hin...