Sonntag, 26. Februar 2012

2. ACTA-Demo am 25.02.2012

Fotos, Videos und Reden
























Eröffnungsrede
von Robert Fietzke

Hallo.



Mein Name ist Robert Fietzke und ich habe diese Demonstration hier angemeldet. Wie schon am vorvergangenen Wochenende, als über 600 in Menschen in Magdeburg dabei waren, hat sich eine kleine Gruppe zusammen getan, das hier zu organisieren. Wir gehen heute erneut gegen ACTA auf die Straße, zusammen mit tausenden von anderen Menschen in Europa.



Kurz vor dem letzten europaweiten Protesttag gegen dieses Abkommen namens ACTA versuchte die Bundesregierung, den drohenden massiven Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie erklärten, sie würden ACTA nicht unterzeichnen. Trotzdem waren 100.000 Menschen auf der Straße, in Europa insgesamt 200.000 Menschen.



Zwei Tage später verkündete Regierungssprecher Steffen Seibert dann, das Vertragswerk sei "notwendig und richtig" und bringe "keine der Gefahren mit sich, die derzeit beschworen werden. Wir sehen in diesem ACTA-Übereinkommen einen wichtigen Schritt, um den internationalen Rechtsrahmen für die Bekämpfung von Produkt- und Markenfälschungen zu schaffen."



Währenddessen machte die EU-Kommission von sich reden und unterstellte den Demonstranten undemokratische Motive. Im Wortlaut hieß es: “Aber es werde letzlich schwer fallen, die organisierte Zivilgesellschaft damit [also mit ACTA] zu überzeugen. Dort würden oft Interessen vertreten, die nicht der breiten Gesellschaft entsprächen. Hier seien gezielte Aktivitäten zu beobachten, die nicht immer den vorgeblich demokratischen Absichten gerecht würden”. und weiter „“ACTA-Gegner versuchen, gegen das Abkommen zu mobilisieren, um die restlichen Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament zu beeinflussen.”



Gezielte Aktivitäten? Vorgebliche demokratische Absichten? Natürlich sind unsere Absichten demokratisch! Wir machen uns Sorgen um die Demokratie. ACTA ist entstanden in unzähligen Hinterzimmerverhandlungen, vorbei an irgendwelchen demokratisch legitimierten Institutionen oder Verfahren. Das Abkommen ist aus der Feder zahlreicher Multikonzerne und Unternehmen der Medienindustrie, die damit nur ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen, ihre Gewinne sichern wollen. Ihnen geht es überhaupt nicht um den kleinen Urheber. Der hat davon nämlich gar nichts!



ACTA werden folgende Dinge vorgeworfen:

1. Konzerne könnten das Internet zensieren, indem sie Provider zur Onlineüberwachung von Datenverkehr verpflichten. ACTA würde somit massiv Meinungsfreiheit und andere Grundrechte angreifen und den freien Zugang zu Informationen verwehren.

2. Es würde harte Strafen geben für sogenannte Urheberrechtsverletzer, die angeblichen geschäftlichen Schaden anrichten. Das kann schon passieren, wenn man ein Partyvideo hoch lädt und im Hintergrund geschützte Musik läuft.

3. Das Abkommen ist völlig undemokratisch ausgehandelt worden und allein aus diesem Grund schon abzulehnen

4. Lebensrettende und billigere Generika, also Plagiate von Medikamenten, würden ebenfalls unter diesen neuen Urheberrechtsschutz fallen und somit vom Markt verschwinden. Dies würde ganz real Menschenleben kosten

5. Ebenso wäre generisches Saatgut verboten, Bauern hätten damit ein massives Problem

6. Der Text im ACTA-Abkommen ist so was von schwammig, dass keinerlei europäische Rechtsstandards eingehalten wären. Der Text lässt außerdem zahlreiche Hintertüren offen – und genau darum geht es uns!



ACTA zu verstehen ist nicht leicht. Hinzu kommt, dass viele Passagen aus einer Zeit stammen, in der es noch gar kein Internet gab. Die Medienindustrie und somit die Rechteverwertungsindustrie sieht sich, seitdem es das Internet gibt, großen finanziellen Einbußen und Nachteilen ausgesetzt. Dass das Internet von vielen einflussreichen Menschen mit Argwohn beäugt wird, erleben wir hier ständig und nicht erst seit ACTA.



Das Internet gehört mittlerweile zur Lebenswelt der meisten Menschen. Niemals war es so einfach, sich breit und intensiv über unsere Welt zu informieren. Niemals war es so einfach, Wissen mit anderen zu teilen, Wissen zur Verfügung zu stellen und Wissen zu beziehen. Dies hat eine Reihe kleinerer Revolutionen auf den Weg gebracht. Manche behaupten, es gäbe die „digitale Revolution“ schon längst. Doch auch bei herkömmlichen Revolutionen ist das Internet zumindest ein entscheidendes Tool, wenn wir zum Beispiel nach Tunesien blicken.



Vielleicht ist es auch genau das, wovor die Regierenden Angst haben? Haben sie Angst vor immer informierteren Menschen, die aufgrund des gesteigerten Wissens immer häufiger auf die Straße gehen, um zu protestieren?  



Fakt ist eins: Sie verstehen uns nicht. Sie wissen nicht, wie das alles funktioniert. Sie wissen nicht, warum uns das so viel bedeutet. Sie verkennen die demokratischen Veränderungspotentiale. Manchmal kann man nur das Bild gewinnen, dass wir es hier mit der geballten Inkompetenz zu tun haben.



Wisst ihr, wie über uns geredet wird? Man nennt uns jetzt neuerdings „Netzgemeinde“. Netzgemeinde. Das hat etwas verschworenes, subversives, sektenhaftes. Innenminister Friedrich nahm das letztens in den Mund, als er seinen CDU-Kollegen Heveling in Schutz  nehmen wollte. Dieser hatte die ACTA-Gegner als „digitale Maoisten“ bezeichnet und gedroht: „Liebe Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren“. Einen besonderen Geschwurbel-Leckerbissen, bei dem einem schlecht werden kann, möchte ich euch nicht vorenthalten:



„Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein. Also, Bürger, auf zur Wacht! Es lohnt sich, unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen!“



Heveling sitzt für die CDU im Bundestag und ist – man möchte es eigentlich gar nicht hören – Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft.



Ein noch aktuelleres Beispiel für Unwissenheit und Ignoranz gab es gestern im Landtag. DIE LINKE brachte einen Antrag namens „ACTA stoppen – Transparenz herstellen“ ein. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt.


Ich fasse das mal zusammen: ACTA-Gegner, also wir, haben angeblich keine Ahnung und sind sowieso alles Internetgauner, während uns Leute, die an Inkompetenz nicht zu überbieten sind, weismachen wollen, ACTA sei total ungefährlich. Man spricht uns nicht nur unser Recht auf Protest ab, sondern auch die Fähigkeit, selbständig zu denken und die Dinge einzuschätzen.



Heute nehmen wir aber von unserem Recht auf Protest Gebrauch – und das ist genau richtig so!



Abschlussrede (Infoflyer)

von Deejay Lockie

Liebe ACTA-Gegnerinnen und -Gegner,

heute haben schon einige Menschen zu den Details von ACTA gessprochen und auch die undemokratische Entstehung vollkommen zu Recht kritisiert. Ich möchte deshalb gern noch ein paar Worte zum Kontext und zum eigentlichen Hintergrund von ACTA beitragen.

ACTA - das ist nicht nur das Ende von Musikdownloads und Youtube.
ACTA ist nicht nur Lobbyismus und ein weiterer Schritt zum Ende der Demokratie.
ACTA ist eine Enteignung der Menschen und eine weitere Unterwerfung digitaler Lebensbereiche unter die Profitmaschinerie!

Wir leben in einer Zeit in der Musik zunehmend kostenlos vervielfältigt werden kann und durch die Masse der Verkäufe demzufolge eher preisgünstiger als teurer werden sollte. Klar: Ein CD-Rohling kostet Geld und auch die Instrumente der Musikerinnen und Musiker müssen bezahlt werden. Und natürlich ist es auch erforderlich, dass diese Leute genug Geld verdienen, um menschenwürdig leben zu können. Aber rechtfertigt dies alles CD-Preise von 15 bis 20 Euro oder wer verdient wirklich an diesen horrenden Preisen?

Wie kann es sein, dass ein und derselbe Film zur selben Zeit in einigen deutschen Kinos 14 Euro kostet und in anderen sieben? Wer schlägt diese hohen Aufschläge drauf?

Das Zauberwort in diesem Zusammenhang lautet Besitz. Besitz an Eigentumsrechten. Besitz an geistigem Eigentum. Besitz an Vermarktungsrechten. Besitz, Besitz, Besitz. 

Doch warum besitzen einige Menschen und große Konzerne überhaupt die Rechte an all diesen Dingen? Warum dürfen diese kleinen Gruppen darüber bestimmen, wer sich etwas in unserer Gesellschaft legal aneignen kann und wer nicht? Wer hat darüber entschieden?

Wenn eine Band einen Plattenvertrag bekommt, wird sie in den meisten Fällen gezwungen, all ihre Songs wenigstens anteilig an die Plattenfirmen zu überschreiben. Da der Mensch, der eine coole Idee für einen Film hat, diesen nicht selbst drehen kann, wendet er sich an eine große Produktionsfirma und verkauft sein Drehbuch für einen im Verhältnis zu den späteren Gewinnen lächerlichen Betrag.

Der wahre finanzielle Gewinn geht eben nicht an die Künstlerinnen und Künstler, deren geistiges Eigentum wir bewundern dürfen, sondern an die Vermarktungs- und Produktionsmaschinierie, die dahinter steht! Viele Künstlerinnen und Künstler, aber auch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die dieselben Probleme tagtäglich bei Publikationen erleben, haben das erkannt und fordern ein anderes Urheberrecht, welches Open Access statt Kontrolle durch Wenige einfordert.

Um es noch mal ganz deutlich zu sagen: Es geht um Geld. Es geht um sehr viel Geld – nicht für Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern vor allem um die Organisationen, die den Zugang zu diesem Wissen verwalten und nach ihrem Belieben beschränken. Nur diese wollen ACTA und haben es geschaffen.

Das Internet hat es ermöglicht diese Schranken zumindest teilweise zu umgehen. Das Internet schaffte den Rahmen, sich Profitgier in Milliardenhöhe zu verweigern und sich das geistige Eigentum der Menschheit als Bürgerin und Bürger ohne finanzielle Schranken wiederanzueignen.

Und was bei Kulturgütern durchgesetzt werden soll, hört dabei ja noch lange nicht auf: Genstrukturen von Nahrungsmitteln werden patentiert und damit allgemeiner Nutzung ohne Gebührenverordnung entzogen. Menschen sterben unnötigerweise zu Tausenden an Seuchen, weil billige Generika durch die großen Pharmakonzerne gesperrt werden, um ihre Profite weiter zu steigern. Auch dagegen und gegen die vielen anderen Formen der Kommerzialisierung unseres Lebens muss sich unser Protest richten!

Doch wenn wir dieses Problem lösen wollen, wenn wir nicht nur ein, zwei Gesetzesvorhaben verhindern, sondern das wirkliche Problem lösen wollen, nämlich dass es nicht mehr um Kunst und Wissen geht und den breitestmöglichen Zugang für alle Menschen zu diesen Gütern, sondern um die Frage wie Kunst und Wissen am meisten Geld abwerfen, dann müssen wir uns gegen die kapitalistische Verwertungslogik an sich wehren. Dann müssen wir sagen: Wissen dient dem menschlichen Fortschritt und nicht der Bereicherung weniger, es gehört uns allen und muss deshalb einer demokratischen Kontrolle unterstellt werden und nicht kapitalistischen Verwertungsinteressen!

Let’s fight – burn Copyright! ACTA verhindern, Kapitalismus überwinden!

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